Wie David gegen Goliath

1911740_10202008617993238_1323315613_n - copiaDie indigene Bäuerin Máxima Acuña Chaupe aus Cajamarca kämpft seit Jahren gegen die Goldmine Yanacocha. Im Dezember 2014 wurde sie vom Höchstgericht freigesprochen. Die Drangsalierung durch Yanacocha geht weiter. Eine Chronologie der Ereignisse

Máxima Acuña Chaupe wirkt mit ihren 1,50m Körpergröße, dem Mittelscheitel und den langen Zöpfen, wie sie die indigenen Frauen im Andenhochland tragen, auf den ersten Blick eher mädchenhaft. Der Eindruck täuscht. Sie wird ihrem Namen – die Größte – mehr als gerecht. Seit bald vier Jahren kämpft die Bäuerin aus der Region Cajamarca im Norden Perus gegen die peruanische Bergbaufirma Yanacocha, die das Land kaufen will, auf dem Máxima mit ihrer siebenköpfigen Familie lebt. Ein Rechtsstreit, der sinnbildlich für den Schulterschluss von Regierung und Unternehmen steht und die fehlenden Rechte der Zivilbevölkerung.

Symbol für den Widerstand

In den letzten Jahren ist Máxima Acuña Chaupe zum Symbol für den Widerstand gegen die skrupellosen Methoden bei der Goldförderung in Peru durch internationale Unternehmen, Armee und Nationalstaat geworden. Vor vier Jahren begann der Streit um das Land, auf dem Máxima lebt. Denn Máxima sitzt buchstäblich auf einem Berg voll Gold. Das Bergbauunternehmen Yanacocha hatte auf dem Andenhochplateau der peruanischen Region Cajamarca bereits 5400 Hektar Land an der Blauen Lagune rund um das Dorf Sorochuco aufgekauft. Auch die vier Hektar Grundbesitz Acuñas werden für die Erweiterung der 260 Quadratkilometer großen Yanacocha-Mine gebraucht – die größte Goldmine Lateinamerikas und die zweitgrößte weltweit. Aber Máxima Acuña lehnte das Kaufangebot des US-Konzerns Newmont Mining ab. Sie lebt, wie 60 Prozent der Bevölkerung in dieser Gegend, vom Landbau. Kartoffeln, Yuca, Weizen und Hafer wachsen auf dem fruchtbaren Boden, das restliche Land nutzt sie als Weide für das Vieh. „Ich bin in Sorochuco geboren und aufgewachsen“, sagt sie, „ich habe mein Land in der Hoffnung gekauft, mein ganzes Leben dort zu verbringen“. Also blieb sie. Yanacocha ließ sich das nicht gefallen. Bald tauchte Minenpersonal auf, unterstützt von Polizisten in Uniform. Es gab Morddrohungen, Prügel, ihr Vieh verschwand oder wurde getötet. Der Angriff auf die Landwirtschaft der Bäuerin wurde nicht geahndet. Im Gegenteil: Obwohl Máxima – anders als die Minengesellschaft – eine Besitzurkunde über ihr Land in den Händen hält, verklagte Yanacocha sie des Landfriedensbruchs.

Skrupellose Methoden

2011 versuchte Yanacocha, eine Straße durch das Land Máximas zu bauen. foto-blog-lynda-iiMáxima zeigte das Unternehmen an, aber die Staatsanwalt legte die Geschichte direkt ad acta. Im Sommer desselben Jahres verschafften sich Sicherheitsbeamte Yanacochas mit Unterstützung der Polizei gewaltsam Zutritt zu Máximas Hof. Die Beamten schlugen und misshandelten die Familie. Máxima wehrte sich gegen die Enteignung ihres Landes, erstattete Anzeige und ging vor Gericht. Aber das Oberste Gericht in Cajamarca gab am 5. August 2014 der Firma Yanacocha recht. Máxima, ihr Ehemann Jaime, ihre Tochter Ysidora und Schwiegersohn Elías Chavez wurden zu zwei Jahren und acht Monaten Bewährungsstrafe und einer Entschädigung von 5500 Soles (etwa 1500 Euro) an den Minenkonzern verurteilt. Die Anwältin der Familie, Mirtha Vazquez, legte dagegen Berufung ein. Bis heute hält die 44-jährige Máxima trotz aller Drohungen Stellung auf ihrem Stück Land, einer Insel inmitten von Yanacocha-Land. Es ist ein Kampf wie die Gallier gegen die Römer, wie David gegen Goliath.

„Ja zum Wasser – Nein zum Gold“

Das Urteil gegen die Familie Chaupe löste in der peruanischen und lateinamerikanischen Öffentlichkeit große Betroffenheit aus, aber auch viel Sympathie für die Verurteilten. In den sozialen Netzen häufen sich die Solidaritätsbekundungen, es gibt Demonstrationen in der Hauptstadt, offene Briefe an die Regierung und generell viel Rückhalt aus der Bevölkerung. Máxima Chaupe ist zum Symbol des Widerstands gegen die Praktiken der Goldkonzerne in Peru geworden. „Ja zum Wasser! Nein zum Gold“ lautet der Slogan der Protestbewegung, der auch auf dem Alternativgipfel zur Weltklimakonferenz, der jüngst in Lima stattgefunden hat, zu hören war. Máxima bezeichnet sich selbst als Beschützerin des Wassers. „Wasser bedeutet Leben“, sagt sie, „das können wir nicht einfach an ein Unternehmen verkaufen“.

Kein Raum für Kritik

Die Macht der Akteure ist in Peru sehr ungleich verteilt. Die Gesellschaft für bedrohte Völker (GfbV) zeigte Ende 2013 zusammen mit peruanischen Organisationen auf, wie Rohstofffirmen mit meist unter Verschluss gehaltenen Verträgen jederzeit Einsätze der Nationalpolizei gegen die Bevölkerung beantragen können. Die Rohstofffirmen unterstützen die Einsätze finanziell, materiell und logistisch. Staatliche und wirtschaftliche Interessen verbünden sich damit gegen die Interessen der lokalen Bevölkerung. Eine Lösung des Konflikts rückt in weite Ferne.

Gegen Widerstand aus der Zivilbevölkerung geht die Regierung hart vor. Bereits 2004 hatte es wegen der Umweltbelastungen durch den offenen Tagebau heftige Protestdemonstrationen in der Bevölkerung gegeben, woraufhin Newmont – mit Buenaventura und der Weltbank größter Aktionär der Mine – erklärte, dass es vorläufig keine weiteren Erkundungen in der Region geben würde. Im Sommer 2012 rief die Bevölkerung Cajamarcas zu einem Generalstreik auf. Der Präsident Ollanta Humala verhängte daraufhin den Ausnahmezustand über drei Provinzen und ließ die Demonstrationen gewaltsam unterdrücken. Fünf Menschen wurden von der Polizei erschossen, Dutzende verletzt oder willkürlich verhaftet. In den vergangenen drei Jahren wurden bei Demonstrationen bereits 41 Menschen erschossen. Das peruanische Gesetz aber sagt Polizisten, die im Dienst Zivilisten erschießen, Straffreiheit zu.

Die Unternehmen, unterstützt durch die Regierung, diktieren die Spielregeln – und auch, wie über sie berichtet werden. Mitte Februar wurde der Journalistin Martha Meier Miró Quesada von der Tageszeitung „El Comercio“ gekündigt, weil sie in einer Kolumne allzu kritisch über die Machenschaften Yanacochas und seine Übergriffe gegen die Bäuerin berichtet hatte. Der ehemalige Antikorruptionsbeauftragte des Landes, Julio Arbizu, warnte, dass die Zensur und der Rauswurf der Journalistin deutlich zeige, wie die Tageszeitung nach ökonomischen Interessen handele und nicht im Sinne der Pressefreiheit. Marktfreiheit vor Pressefreiheit – Tatsache in einer vom Kapitalismus durchdrungenen Welt.

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Der Fall der Familie Chaupe. Infografik von Grufides und Coordinadora Nacional de Derechos Humanos

Freispruch für Máxima – aber Yanacocha kämpft weiter

Máximas Geschichte geht folgendermaßen weiter. Nach Monaten von Verhandlungen sprach das Höchste Gericht in Cajamarca kurz vor Weihnachten 2014 Máxima Acuña von den Anklagepunkten frei. Die Freude über diese Nachricht währte nicht lang. Am 3. Februar 2015 betraten Sicherheitskräfte der Firma Yanacocha und der peruanischen Spezialeinheit DINOES das Gelände der Familie Acuña und zerstörte einen Anbau. Als Grund nannten sie die ungeklärte Rechtslage. Einige Tage später errichteten Mitarbeiter Yanacochas in Sichtweite der Familie ein Alpaca-Gehege – als Beitrag für eine nachhaltige Entwicklung – und installierte rundherum eine Reihe von Überwachungskameras. Dass es dem Unternehmen mehr um die Überwachung der Familie geht, liegt auf der Hand.

Massive Umweltbelastungen durch den Goldabbau

Nachhaltige Entwicklung ist nicht gerade eine Spezialität von Yanacocha. Seit 19 Jahren betribt Yanacocha Goldabbau im Tagebau in Cajamarca und steht unter ständiger Kritik seitens Menschenrechts- und Umweltorganisationen. Auch der geplante Bau der Conga-Mine hätte massive Eingriffe in die Umwelt zur Folge: Bergseen würden verschwinden, Wasser verseucht und die Lebensgrundlage von Menschen und Tieren bedroht. Bei der Produktion im Tagebau wird doppelt so viel Land als die eigentliche Größe der Mine vernichtet: Denn das goldhaltige Gestein wird bis zu 660 Meter tief abgetragen – und dann in riesigen Gebirgsflächen aufgeschüttet. Bei der gewaltigen Yanacocha-Mine sind das mehr als 500.000 Tonnen Gestein pro Tag.
Das Gold wird mit einem Zyanid-Wasser-Gemisch gelöst, wofür pro Stunde 250.000 Liter Wasser benötigt werden. Das hat zur Folge, dass es in der Landeshauptstadt Cajamarca nur noch zwölf bis 14 Stunden Leitungswasser pro Tag gibt. Gleichzeitig werden Schwermetalle wie Arsen, Kadmium und Blei freigesetzt. Diese sind auch noch in zehn Kilometern Entfernung nachweisbar. Untersuchungen, die nach 20 Jahren Betrieb der Mine Yanacocha vor kurzem erstmals durchgeführt wurden, ergaben, dass die rund 200.000 Einwohner Cajamarcas über Jahre hinweg verseuchtes Wasser getrunken hatten.

„Wir tun alles, um Umweltbelastungen zu vermeiden“, versichert der Yanacocha-Betreiber, „wir halten uns an die Gesetze“. Die Gesetze werden allerdings immer mehr zu Gunsten der freien Wirtschaft formuliert. Erst im vergangenen Sommer unterschrieb der peruanische Präsident Ollanta Humala ein neues Umweltgesetz, mit dem die Strafen bei Umweltvergehen deutlich reduziert werden. Umweltverträglichkeitsprüfungen sind nun innerhalb von 45 Tagen abzuschließen – eine lächerlich kurze Zeit- und Bergbau und Erdölproduktion auch in Naturschutzgebieten erlaubt.

Neben den massiven direkten Umweltschäden verursachen Goldminen im Tagebau auch einen riesigen Bedarf an Energie. Allein die Yanacocha-Mine hat einen doppelt so hohen Energiebedarf wie die peruanische Stadt Trujillo mit 700.000 Einwohnern.

Ausblick

Angesichts dieses Szenarios wird Máxima weiterkämpfen. „Mein Schweiß steckt in jedem Zentimeter Land“, sagt sie. Das werde sie sich nicht von Yanacocha wegnehmen lassen. „Die Behörden können sagen was sie wollen, ich werde mein Land nicht weggeben“.

Sie beklagt, dass das Unternehmen Yanacocha nie auf sie direkt zugekommen sei, um mit ihr zu sprechen oder zu verhandeln. Vieles erfahre sie erst durch die Medien und vieles davon seien schlichte Unwahrheiten. Unterstützung erfährt sie vor allem aus der Zivilbevölkerung und durch die peruanische Nichtregierungsorganisation Grufides in Cajamarca, bei der auch die Anwältin der Familie, Mirtha Vazquez, arbeitet. „Todos somos Máxima“, heißt es auf dem Blog der NGO. Hoffen wir, dass sich die Hartnäckigkeit der kleinen großen Máxima am Ende auszahlen wird. Es wäre ihr zu wünschen.

Zum vollständigen Artikel hier, erschienen in Lateinamerika Nachrichten März 2015

Doku „Los guardianes y guardianas del agua” (Ausschnitt) Asociación Guarango

Im 14. Himmel

17815_10206545823191351_7900365165802904569_nAm schönsten ist es morgens um sieben. Dann scheint die Sonne durch den Morgennebel, unten die Bäume, links die Berge, rechts das Meer, wir im 14. Himmel mittendrin. Wir sind Anfang Februar umgezogen und wohnen nun in Jesús María (ja wirklich!), mitten in der Stadt, aber mitten im Grünen. Dass es so etwas gibt in Lima! Die Stadt steckt voller Überraschungen. Eine davon ist die Residencial San Felipe, wo wir nun wohnen. Die Residencial ist eine Art Wohnanlage, bei der ich anfangs an Plattenbauten in Marzahn dachte, an verkehrsumtoste Betontürme, an anonymes Wohnen, an geduckte Wohnungen, klein und dunkel. Aber als wir uns das erste Mal die Wohnung im 14. Stock anschauen, passt keins dieser Vorurteile. Die Wohnung ist riesengroß und hell, der Blick geht runter in den Park und auf den Spielplatz, bekommt Flügel, geht über die Häuser hinweg. Hier oben fühlen wir uns wie Vögel in einem kuscheligen Nest. Wir sagen dem Vermieter – Ex-Direktor des RedMuqui, ein glücklicher Zufall – sofort zu.

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Residencial San Felipe (die Türme) vor 50 Jahren

Jetzt, nach ein paar Wochen im neuen Zuhause, sehen wir: die Residencial ist ein Dorf, eine grüne Insel mitten in der großen Stadt. Die Bewohner (er)kennen sich, grüßen sich, „wie geht es den Kindern?“, Neuigkeiten werden ausgetauscht, es gibt Supermärkte, Läden, Kioske, Nachbarschaftsvereine. Mittwoch abends tanzen die Senioren auf der Plazuela Salsa. Wir haben uns gebrauchte Fahrräder gekauft und radeln manchmal abends ans Meer, den Sonnenuntergang anschauen. Vor einer Woche haben wir eine Einweihungs- und Geburtstagsparty gefeiert und alle eingeladen, die wir im letzten halben Jahr kennengelernt haben. Es kam die San Juan de Lurigancho Clique, es kamen Freunde und Bekannte aus den verschiedensten Kreisen, Arbeitskollegen, Nachbarn, sie kamen mit Krücken und mit Babys im Tragetuch. Wir haben getrunken und gelacht und getanzt. Es war wunderbar. Es ist wunderbar.

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