Kleiner Urlaub mit großer Gruppe

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Mattes‘ Eltern sind gerade zu Besuch in Peru. Mitgebracht haben sie diesmal ihre Canasta-Kartenspieltruppe und langjährigen Freunde HG, Anne, Dieter und Elsmarie aus Natbergen bei Osnabrück. Eine Woche schaute sich die eingespielte Reisegruppe Lima an, das Meer, die Altstadt, den Wasserpark, Läden, Restaurants. Gleich am ersten Tag fanden sie ihr Stammlokal, gegenüber von ihrem wirklich schönen Hotel „El Patio“, da saßen sie dann jeden Abend mit den Einheimischen, betagten Miraflores-Bewohnern, die ihre Instrumente mitbrachten und zu Gitarre, Cajón und Maracas (Rasseln) herzerweichende Schnulzen in den lauen Abendhimmel schmetterten. Wunderbar.

Nach einer Woche machte sich die Reisegruppe auf den Weg nach Cusco, dem Schatzkästchen Perus. Wir haben sie ins Inka-Dörfchen Ollantaytambo begleitet, wo sie sich einige Tage an die Höhe gewöhnten, später fuhren sie weiter zum Machu Picchu  und zurück nach Cusco.

Ollantaytambo also wieder – im Oktober habe ich hier einen Nachmittag mit meiner Mutter verbracht, vor elf Jahren ein paar Tage. Obwohl die Touristenströme auf dem Weg zum/vom Machu Picchu hier vorbeifahren und das Örtchen voll auf Gastronomie und Unterkünfte eingestellt ist, gibt es immer noch ruhige Ecken und Winkel, grüne Wiesen, plätschernde Bäche. Wieder verlieren wir uns in den Gassen des kopfsteingepflasterten Dorfes, das wie aus der Zeit gefallen scheint. Es ist das einzige verbliebene Beispiel für Stadtplanung aus der Inkazeit. Die Gebäude, Inka-Terrassen und die engen Gassen von Ollantaytambo sind noch so wie zu Inkazeiten.

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Wieder klettern wir zur Ruine auf dem Berg Pinkuylluna hinauf. Damals saß ich mit meinem Reisebegleiter und zwei Kindern aus dem Dorf dort, heute mit meinen eigenen beiden Kindern, Mann und Schwiegervater. Wieder verschmelzen Vergangenheit und Gegenwart, als ich auf Ollantaytambo herunterblicke. Was ist Zeit, frage ich mich. War ich jemals woanders als hier? Es fühlt sich gut an, da oben zu sitzen, der Himmel spannt sich weit und blau über den Bergen. Unten tutet der Machu Picchu Touristenzug im Urubamba-Tal. Oben zwitschern die Vögel. Wolken ziehen auf. Wind weht um die Nasen. Wir futtern unsere Käsebrote und fühlen uns gleichzeitig groß und stark und winzig klein.

Unten treffen wir die Reisegruppe wieder. Kehren irgendwo ein. Als die Gruppe am nächsten Tag zur wohl bekanntesten Ruine auf dem südamerikanischen Kontinent aufbricht, stapfen Jakob, Ronja und ich noch einmal den Berg hinauf. Dann holen wir Puppe, Teddy und Rucksack ab und machen uns auf den Heimweg nach Lima.

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Bailemos! Oder: Hüftschwung mit den heißen Alten

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Jeden Mittwoch nachmittag beginnt das große Stühlerücken auf der Plaza in der Residencial San Felipe, dort wo sich die Läden, Apotheken, Banken aneinanderreihen, wo sonst Senioren auf den Bänken verweilen und Kinder mit Rollern und Rädern herumflitzen. Jeden Mittwoch nachmittag trudeln rüstige Rentner, gebrechliche Senioren, fitte Silver Ager und auch ein paar jüngere Menschen ein und warten auf den Beginn des allwöchentlichen Tanzabends mit Live-Band, pünktlich um 17 Uhr (im Sommer um 18 Uhr). Die Stadtteilverwaltung in Jesus Maria organisiert das Tanzvergnügen, organisiert Stühle und Musiker, seit vielen Jahren.

Manche der frühen Ankömmlinge lesen noch ein wenig in der Zeitung, blinzeln in die Spätnachmittagssonne, andere plaudern mit ihren Sitznachbarn. Wie war die Woche? Was macht die Hüfte? Und die Enkelkinder?

Wenn die Musiker dann ihre Instrumente und Lautsprecher aufgebaut haben, wenn alle im Quarreé sitzen und erwartungsvoll auf die Band schaut und wenn dann die ersten Takte erklingen, Salsa, Cumbia, Bolero: manchmal springen dann schon die ersten Tänzer auf, schwingen die Hüften, heben die Arme und sie sind nicht mehr 80, sondern 40, ach was, 20 Jahre alt!20160511_173033

Es ist eine helle Freude, den „heißen Alten“, wie manche sie liebevoll nennen, beim Tanzen zuzuschauen. Sie haben sich feingemacht, geschminkt, die Haare gegelt, den Anzug gebügelt und das neue Kleid an, sie haben eine frische Dauerwelle oder sich noch schnell die Nägel lackieren lassen. Sie tanzen, als gäbe es kein Morgen, sie singen die Texte mit und lachen und sie sind überhaupt nicht mehr gebrechlich, sondern gelenkig wie damals. Es herrscht freie Partnerwahl, der alte Herr fordert die junge Mutter auf, die in einer Parfümwolke schwebende Seniorin ihren Sitznachbarn. Die meisten kommen jede Woche. Immer dabei: der Vagabund mit den langen grauen Haaren und Plastiktüten, der so vehement den Takt mitklatscht als wolle er verhindern, dass die Musik jemals wieder aufhöre. Der Herr, der wie eine ältere elegante Version von Robin Hood aussieht mit gelben Lederschuhen und Feder am feschen Hut. Der gealterte Schönling, der nur mit den jüngeren Frauen tanzt. Die Grande Dame mit der Dauerwelle und ihren theatralischen Gesten. Unsere Nachbarin, die einen Hüftschwung hat, von dem sich so mancher noch was abgucken kann. Außerdem dabei: die Eisverkäufer, die Passanten, die gerade aus dem Supermarkt kommen und nun kurz innehalten und mitwippen, ein paar Kinder, die zwischendurch herumflitzen.

Es werden gespielt: Klassiker, Stücke zum Schwoofen, Abtanzen, Mitsingen, sämtliche tropische Rhythmen, Salsa, Cumbia, Boleros, Merengue. Herzergreifend schön. Auf dass die Menschheit nie aufhöre zu tanzen.

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