Der Wald ruft

Der Amazonas-Regenwald ist einer der Orte der größten Biodiversität des Planeten. Trotzdem wurde er über die Jahrhunderte hinweg invadiert und kolonisiert. Heute stehen der Regenwald und die Menschen, die in ihm leben, enormen Problemen gegenüber, wie Megaprojekten der Agroindustrie, Abholzung und Klimawandel.

Beim 8. Panamazonischen Sozialforum ( VIII Foro Social Panamazónico, kurz: FOSPA) trafen sich Amazonasvölker und indigene, soziale und Umweltorganisationen, um über eben diese Herausforderungen zu sprechen. Zentrale Themen waren Territorien, Gemeinschaften im Amazonas und in den Anden sowie Naturschutz. Das FOSPA fand vom 28. April bis 1. Mai in Tarapoto in Peru statt. Wir waren mit dem Red Muqui vor Ort.

 

 

In verschiedenen Gruppen diskutierten die 1500 Teilnehmenden über Themen wie:

  • Klimawandel
  • Ernährungssouveränität und -sicherheit
  • Megaprojekte und Extraktivismus
  • Gemeindebasierte und interkulturelle Bildung
  • Frauen und Jugend im Amazonasgebiet und in den Anden
  • Kulturelle Identität und Globalisierung im Amazonas

Wie auch bei früheren Sozialforen in Lateinamerika (die meisten von ihnen fanden in Brasilien statt) ging es darum, die verschiedensten Sichtweisen und Erfahrungen der Teilnehmenden ins Gespräch zu bringen. Die Verhandlung der Vielfalt an Lebensweisen, -welten, des Wissens und der Gedanken stehen im Mittelpunkt. Bestehende Ungerechtigkeiten und Ausschlüsse von Gruppen sollen überwunden werden, der Dialog soll auf der vielzitierten Augenhöhe stattfinden.

Ob das FOSPA weitreichend genug sein kann, um die gemeinsame Vision einer umwelt- und menschenfreundlicheren Welt voranzubringen, bleibt offen. Das derzeitige System der Gewinnmaximierung und des Wirtschaftswachstums um jeden Preis, wie es rund um den Globus vorherrscht und dessen Abgründe wir hier in Peru in den letzten Monaten deutlich zu sehen bekommen haben – zuerst am Odebrecht-Korruptionsskandal und dann mit den Überschwemmungen – ist fest verankert. Aber es wäre dringend an der Zeit, den Schutz der Umwelt und der Menschenrechte als wichtigste Themen auf die politische Agenda zu setzen. Nur so kann das Amazonas-Gebiet mit all seiner kulturellen und natürlichen Vielfalt bewahrt werden. Todos somos bosque!

Ausführliche Infos gibt es auf der Webseite des Sozialforums.

Hier hat das Red Muqui einen ausführlichen Artikel zum FOSPA (en castellano) geschrieben und hier die Tageszeitung La República (en castellano)

 

Weitere Impressionen:

 

 

 

Ni una menos: Hunderttausende protestieren in Peru gegen Gewalt gegen Frauen

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Hunterttausende Menschen haben am 13. August in ganz Peru gegen die allgegenwärtige Gewalt gegen Frauen demonstriert. Unter dem Motto „Ni una menos“ – „Nicht eine weniger“, das auf die ermorderte mexikanische Aktivistin Susana Chávez zurückgeht, gingen allein in Lima mehr als 150.000 Frauen und Männer auf die Straße. Sie kritisierten die Gleichgültigkeit der Justiz gegenüber Gewaltverbrechen an Frauen. Es waren die bisher größten Demonstrationen gegen Gewalt gegen Frauen in Peru. Die Zeitung „La República“ nannte die Proteste „historisch“. Auch der seit Juli amtierende Präsident Pedro Pablo Kuczynski lief bei dem gewaltigen Protestmarsch durch die Hauptstadt Lima mit. Justizministerin Marisol Pérez Tello sagte, Peru müsse mit seiner traditionellen Macho-Kultur brechen.

Im vergangenen Jahr registrierten die peruanischen Behörden 95 Frauenmorde (Feminizide), in diesem Jahr sind es bereits 54 sowie 118 Mordversuche. Allein in der vergangenen Woche überlebten drei Frauen die Gewalt gegen sie nicht. Die Dunkelziffer ist weit höher. Laut der Ombudsbehörde werden jeden Monat 10 Frauen von ihren Partnern getötet. Eine Studie derselben aus dem Jahr 2015 zeige, dass 81% der Frauen, die einem Tötungsversuch entgingen, danach keinerlei Schutz von den Behörden erhielten.

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Die Weltgesundheitsorganisation führt Peru in einem 2013 erschienenen Bericht auf Platz drei der Länder mit der höchsten Zahl von weiblichen Opfern sexueller Gewalt durch ihre Partner. Umfragen zufolge halten 74 Prozent der Einwohner Limas die Gesellschaft für frauenfeindlich – gleichzeitig aber vertreten 53 Prozent die Auffassung, dass eine Frau im Minirock selbst Schuld daran ist, wenn sie belästigt wird. Auch der peruanische Kardinal Juan Cipriani Thorne hatte vor wenigen Tagen erst öffentlich gesagt, Frauen provozierten sexuellen Missbrauch durch zu aufreizende Kleidung. Aus den Reihen der Politik gab es für die Aussage heftige Kritik: „Herr Kardinal, in den Fällen von Gewalt gegen Frauen gibt es nur einen Verantwortlichen: den Täter“, betonte der Parlamentarier Alberto de Belaunde.

Ausgelöst wurde die Protestbewegung „Ni una menos“ durch Gewalttaten gegenüber Frauen in jüngster Vergangenheit: ein Mann erschlug seine Frau – Mutter seiner sechs Kinder – mit einem Ziegelstein, weil sie in sein Essen zu viel Knoblauch getan hatte. Fernsehbilder zeigten, wie ein nackter Mann eine junge Frau an den Haaren durch eine Hotelhalle in Ayacucho zog,  er bekam dafür nur eine Strafe auf Bewährung. 

Die Fälle lösten einen öf4fentlichen Aufschrei auf. In Folge dessen eröffneten ein paar Frauen eine geschlossene Facebook-Gruppe, die schnell auf 50.000 Mitglieder anwuchs. In der Gruppe veröffentlichten Frauen jeden Alters und mit vollem Namen ihre jeweiligen Gewalt- und Übergriffserfahrungen. Die Idee zum Protestmarsch folgte kurz darauf.

 

Máxima Acuña gewinnt Goldman-Preis für Umweltschutz

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Die zierliche Bäuerin aus Cajamarca wird in diesen Tagen ihrem Namen – Máxima, die Größte – mehr als gerecht: Nach Jahren des Widerstands gegen das Bergbau-Unternehmen Yanacocha wurde ihr jetzt in San Francisco der renommierte Goldman-Preis für die Verteidigung der Umwelt verliehen. Der Goldman-Preis gilt als Nobelpreis für UmweltaktivistInnen.

Vor einem Jahr hatten wir hier schon einmal über Máxima Acuña und die Mega-Mine Yanacocha geschrieben: Wie David gegen Goliath.  Máxima Acuña und ihre Familie weigern sich seit Jahren, ihre vier Hektar Land an die Yanacocha-Mine zu verkaufen. Dieses Land aber braucht das Unternehmen für die Erweiterung der 260 Quadratkilometer großen Yanacocha-Mine  – größte Goldmine Lateinamerikas und viertgrößte weltweit. Máxima gab trotz jahrelangem Rechtstreit und Einschüchterungsversuchen seitens des Unternehmens nicht klein bei. Stattdessen ist sie in den letzten Jahren zum Symbol für den Widerstand gegen die skrupellosen Methoden bei der Goldförderung in Peru durch internationale Unternehmen, Armee und Nationalstaat geworden.

Die Auszeichnung erkennt nun auch offiziell und international ihren Einsatz für den Schutz der Umwelt – und ihrer eigenen Rechte – an. Die Drangsalierungen gegen Máxima und ihre Familie gehen allerdings weiter. Die in Cajamarca sitzende NGO Grufides schreibt, dass Unbekannte auf das Haus von Máxima geschossen hätten.

Man kann nur hoffen, dass sie nicht das gleiche Schicksal ereilt wie die Preisträgerin des Goldman-Umweltpreises von 2015: die honduranische Umweltschützerin und Indigenen-Aktivistin Berta Cáceres wurde vor einem Monat in ihrem Haus in La Esperanza (Honduras) von Unbekannten getötet. Cáceres hatte sich seit Jahren für die Rechte der Lenca-Indigenen eingesetzt und kämpfte gegen den Bau von Staudämmen und Bergwerken in deren Siedlungsgebieten.

Furchtbare Familienpolitik

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Opfer der Zwangssterilisierungen aus den 1990er Jahren fordern Anerkennung und Entschädigung

Heute, am 10. April, sind die Präsidentschaftswahlen in Peru. Eine der aussichtsreichsten, aber auch umstrittensten Kandidatinnen ist Keiko Fujimori. Sie ist die Tochter des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, in dessen Amtszeit bis zu 300.000 peruanische, indigene Frauen und etwa 20.000 Männer zwangssterilisiert wurden. Bis heute sind die Verbrechen nicht aufgearbeitet.

Die Zwangssterilisierungen fanden in den Jahren 1995 bis 1998 statt.  Eingebettet waren diese in das Programm: Reproduktion – Gesundheit und Familienplanung zur Bekämpfung der Armut! Der Internationale Währungsfond, die Weltbank und die offizielle US-AID finanzierten diesen Genozid, offiziell im Rahmen eines Programms zur freiwilligen Sterilisierung. Betroffen waren insbesondere Frauen zwischen 20 und 30 Jahre, die bereits zwei bis vier Kinder hatten. Später wurde deutlich, dass das Sterilisierungsprogramm vor allem in Regionen von bewaffneten Konflikten mit dem Leuchtenden Pfad stattfanden sowie in Regionen, wo große Unternehmen die Ausbeutung von Erdöl-Erdgas und wertvollen Hölzern vorantreiben wollten.

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Aushang des Ministeriums für Justiz & Menschenrechte zur Registrierung der Opfer von Zwangssterilisationen, Quelle: Minjus.gob.pe

Die vor zwei Jahren verstorbene peruanische Rechtsanwältin Giulia Tamayo hatte die Dokumentation dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit maßgeblich vorangetrieben . Tamayo, die vom peruanischen Geheimdienst Morddrohungen erhielt und schließlich nach Spanien ins Exil ging, veröffentlichte 1998 ihren Bericht „Nada personal“ (Nichts Persönliches), in dem sie die massiven Sterilisierungen in Peru enthüllte und anprangerte. Die Eingriffe fanden in staatlichen Gesundheitszentren oder Krankenhäusern statt, unter Zwang oder durch betrügerische Beratungen, so bei Schwangerschaftsuntersuchungen oder durch falsche Diagnosen wie Gebärmutterkrebs. Pro Sterilisierung gab es eine Belohnung zwischen vier und zehn US Dollar für das Gesundheitspersonal. Um die Kosten niedrig zu halten, wurden Narkosemittel aus der Tiermedizin eingesetzt, die in den USA bereits ausgesondert waren. Oftmals übernahmen Krankenschwestern oder Studierende der Medizin die Eingriffe.

Der Verband von Zwangssterilisierungen betroffen Frauen (Asociación de Mujeres Afectadas por las Esterilzaciones Forzadas – CAMET ) strebt als Vertretung von 2.074 Opfern seit Jahren eine Klage gegen Ex-Präsident Fujimori und seine damaligen Gesundheitsminister an. Sie werfen ihm Genozid vor. Der zuständige Staatsanwalt Marco Guzman Baca hat dies wegen „fehlender Beweise“ auch 2015 wieder abgelehnt. Die UN-Kommission gegen Frauendiskriminierung (UN Commitee on the Elimination of Discrimiation against Women (CEDAW) hat die vorgelegten Beweise von Zwangssterilisierten hingegen anerkannt. Sie bezeichnete die Eingriffe als „schwere Verletzung der reproduktiven Rechte von Frauen“ und verurteilte sie als „Methode der medizinischen Kontrolle der Fruchtbarkeit der Frau ohne ihre Zustimmung sowie als Körperverletzung, Folter und Misshandlungen“.

Im November 2015, möglicherweise forciert von Kampagnen wie der von Amnesty International, erließ Präsident Humala endlich ein Dekret zur Registrierung der betroffenen Frauen. Diese Registrierung ist allerdings nur ein erster Schritt, damit die betroffenen Frauen entschädigt und die Schuldigen bestraft werden.

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Hilaria Supa Huamán

Keiko Fujimori nun, die Tochter des damaligen Präsidenten, betreibt die Familienpolitik von damals weiter.  Zwar erklärte sie im Oktober 2015 auf einer Konferenz in der US-Elite-Universität Harvard:„Ich verurteile die Ärzte und fühle mit all jenen Frauen, die einer Zwangssterilisierung unterzogen wurden.“ Zurück in Peru aber sprach sie von lediglich 30 betroffenen Frauen – ein Hohn für Tausende von Frauen, schimpfte die indigene Kongressabgeordnete und Menschenrechtsaktivistin Hilaria Supa Huamán. „Das, was sie den Frauen angetan haben lässt sich nicht wieder gut machen“, sagt Huamán. „Aber wir wollen nicht, dass diese Verbrechen unbestraft bleiben, wir wollen, dass die Frauen vom Staat angemessen gesundheitlich versorgt werden. Doch was wird aus unserem Kampf, wenn Keiko Präsidentin werden sollte? Die Fujimoristen sind stark. Es sind dieselben, die damals gesagt haben: wir bekämpfen die Armut, wir bringen Entwicklung. Für diese Frauen haben sie das Gegenteil gebracht.“

Heute also sind die Wahlen. Noch am Dienstag (5. April) haben 50.000 Menschen gegen eine mögliche Regierung Keiko Fujimoris protestiert. Dennoch führt Fujimori die Wahlumfragen an. Man darf gespannt sein, wie das Ergebnis aussehen wird.

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Titelseite der Tageszeitung La Republica vom 6. April 2016

 

In diesem Interview der Informationsstelle Lateinamerika erklären Raquel Reyonoso und Jesenia Casani von der peruanischen Kampagne „Wir sind 2074 und viele mehr“, was jetzt geschehen muss.

Hier ein Beitrag vom Deutschlandfunk zum Thema, außerdem von der Infostelle Peru, „Zwangssterilisierungen an peruanischen Frauen müssen aufgearbeitet werden“

Más informaciones sobre la campaña „Contra su voluntad“ de Amnestia Internacional