Das einfache Leben

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Ein Wochenende in Huancayo. Zu Besuch bei Ulrika und Wuester, die wie wir für drei Jahre als Entwicklungshelfer in Peru arbeiten.

Der erste Tag ist mühsam. In meinem Kopf pocht es, ich bin verschnupft und fühle mich trotz neun Stunden Schlaf unendlich müde. Mein Körper ist nicht daran gewöhnt, auf 3200 Metern herumzulaufen, trotz mehrmaliger Reisen in die Berge. Ich gebe mir Zeit, laufe langsam, trinke tassenweise Koka-Tee. Am Nachmittag geht es besser. Wir machen einen Rundgang durch die Stadt. Auf der Avenida Real, der Hauptstraße Huancayos, arrangieren Gruppen in mühevoller Arbeit riesige Bilder aus gefärbtem Sägemehl. Am Abend wird eine große Prozession über diese Teppiche spazieren. Später klettern wir durch versteinerte Felsformationen, die Torre Torre (Turm Turm) heißen, die Luft ist warm, Vögel zwitschern, ein kleiner Bach plätschert in der Tiefe. In Huancayo ist das Campo, das Land, sehr nah.

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Am nächsten Tag fahren wir eben dort hin, aufs Land. Im Dörfchen Wicso wohnen die Eltern von Roberto, einem guten Freund aus Lima. In Wicso sind die Straßen nicht befestigt, Mädchen treiben Kühe und Schafe über die Wege, um das Dorf herum liegt ein Meer aus Maisfeldern.

Familie Lopez-Rojas hat ein Haus aus Lehm. Wir stehen mit Gitarre, Charango und breitkrempigem Cajamarca-Sombrero vor der Tür, Wuester singt „Ya llegamos amigos“, er hat für jeden Anlass ein Lied dabei. Robertos Eltern öffnen uns die Tür, ihre Enkel luken heraus, der Hund bellt uns wütend an, dann beruhigt er sich. Wir treten ein. Der Innenhof ist voller Blumen, Kräuter (Oregano, Melisse), Aguaymanto, am Haus ein in die Wand geritztes Bild einer aufgehenden Sonne. 

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Es wird ein friedlicher Tag auf dem Land. Wir gehen aufs Feld und ernten Mais, um daraus später Humitas zu machen, in Maisblätter gewickelte süße Maisfladen. Wir essen Avas (Bohnen), Choclo (Mais) und Yungay-Kartoffeln mit der Hand, tunken sie in verschiedene Soßen mit verschiedenen Schärfegraden. Wuester schaut nach der Therme, die er bald hier anbringen will, damit die Familie warmes Wasser hat. Die Kinder machen Lagerfeuer hinten auf dem Feld.

Das einfache Leben, denke ich. Sorgenfrei ist es sicher nicht – wenn der Regen ausbleibt oder der Arzt eine Tagesreise entfernt ist oder die Kinder nicht zurückkommen aus den Großstädten, in die sie gezogen sind. Aber auf dem Land zu sein schärft den Blick für wesentliche Dinge. Gibt es genug zu essen? Wann kommt der Regen? Sind die Esel versorgt? Familie Lopez-Rojas besitzt wenige Dinge, aber die werden täglich genutzt. Was kaputt ist, wird repariert. Was die Natur gibt an Materialien, wird weiter verwertet.

Auch Ulrika und Wuester führen ein einfaches Leben. Sie haben keinen Kühlschrank, duschen mit Solarenergie, stellen selbst Joghurt her und pflanzen Salat auf der Dachterrasse. Wuester hat eine Werkstatt voller Krimskrams, wo er alles repariert, was er in die Hände bekommt. Haben oder Sein, denke ich, hier spielt das Sein eine große Rolle, Musik, Spiritualität. Was macht ein gutes Leben aus? Sich nicht abhängig machen von Sachen. Frei sein. In guter Gesellschaft sein.

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Mit dem Zug über die Anden

klIMG_6236Übers Osterwochende habe ich mir einen langgehegten Wunsch erfüllt: einmal mit dem Ferrocarril Central Andino von Lima nach Huancayo, einmal über die Anden, über einen Pass von 4818 Metern, durch 69 Tunnel, über 58 Brücken und 6 Mal Zickzackfahrten, d.h. vor und zurück, vor und zurück mit dem gesamten Zug, um in kürzester Zeit mehrere Hundert Höhenmeter zu überwinden. Da klebt der Zug wie ein Bergsteiger an der Wand.

Früher verkehrte die Bahn als regulärer Personenzug. Seitdem Busse eine schnellere und günstigere Alternative sind, fährt er nur noch acht Mal im Jahr für Touristen. An der Estación de Desamparados, dem Bahnhof von Lima, verabschiedet uns eine Blaskapelle, ein Paar tanzt die Marinera, die Sonne geht gerade auf. Schaukelnd setzt sich der Zug in Bewegung. Laut tutend fährt er durch die Vororte der Millionenstadt, dicht an einfachen Hütten aus Holz und Wellblech vorbei. Autos bleiben stehen, Fenster öffnen sich, Menschen winken uns hinterher, wie einem Schiff, das vorbeifährt und von fernen Ländern erzählt. Der Himmel ist dunstig blau. Dann zuckeln wir hoch ins Tal des Rímac, fort von der Küste. Einmal Lokwechsel in Tornameza (bei der Casa de los Titiriteros), dort ist die Kurve so eng, dass der Zug nicht herumfahren könnte. Wir können ein paar Minuten aussteigen, die Sonne brennt schon, der Weichensteller sagt, es sei jedes Mal ergreifend, den Zug über die mächtigen Anden fahren zu sehen.

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Auf 4800 Meter Höhe an der Station Galera

Vor knapp 110 Jahren Jahren wurde die Bahnstrecke fertiggestellt, nach 27 Jahren mühevoller Arbeit, eine technische Meisterleistung. Im Tunnel Balta schraubt sich der Zug im Berg über 1,5 Kilometer in Form einer Acht Kurve um Kurve nach oben. Die Puente Infiernillo („Kleine Hölle“) verbindet über eine Brücke zwei Tunnel in gegenüberliegenden Bergrücken. Schienen und Brücken wurden, in Teile zerlegt, aus den USA, Frankreich und England herbeigeschifft, ebenso wie später die Lokomotiven und Wagen. Für den Bau wurden zehntausende Arbeiter angeworben, aus Peru, Chile und China. Etliche kamen dabei ums Leben.

Der Zug zuckelt weiter hinauf. Nach vielen Stunden und Tausenden Höhenmetern sind wir in den Hochebenen angekommen, die Luft wird dünner, das Herz pumpt. Viele Mitreisende dösen ein. Am Ticlio-Pass auf über 4800 Meter Höhe fangen die Kleinkinder an zu weinen, manche übergeben sich. Eine Krankenschwester an Bord versorgt sie mit Koka-Tee, einem altbewährten Mittel gegen Höhenkrankheit, und Lutschbonbons. Dann kommen die Schmelzhütten von La Oroya. Wüst sieht die Gegend hier aus, riesige Maschinen, Schlote, staubbedeckte Berge. Hier werden die kostbaren Rohstoffe aus den Minen des Hochlands verarbeitet und eingeschmolzen. Hier zeigt sich das Ausmaß, mit dem die Menschen die Erde ausnehmen wie eine Weihnachtsgans. La Oroya zählte jahrelang zu den am stärksten verschmutzten Städten der Welt. Die Luft ist voller Blei, im Montaro Fluss schwimmt kein Fisch mehr und die Berghänge der Anden sind hier kalkweiß, weil das Schwefeldioxid aus den Schornsteinen der Schmelzhütten alle Bäume, Büsche und das Gras abgetötet hat.klIMG_6302

Die Bahnstrecke Lima-Huancayo ist normalerweise ausschließlich Güterzügen vorbehalten. Jeden Tag fahren Waggons voll mit Kupfer, Zink, Silber hinab nach Lima und verschiffen die wertvollen Erze in alle Welt. Der Hunger nach Rohstoffen ist groß, also bohren sich die Maschinen weiter in die Erde, die Gruben der Minen werden immer tiefer, in manchen Städten (Cerro de Pasco) fällt die Stadt fast in den Abgrund der Minen hinein.

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Nach insgesamt 13 Stunden Fahrt erreichen wir Huancayo auf 3271 Meter Höhe. Der Kopf ist voller Bilder, die Augen brennen vor Müdigkeit, es pocht dumpf an den Schläfen. Ich bin angekommen.

Wenige Tage später fahre ich die ganze Strecke wieder zurück. Auch jetzt schaukelt der Zug wie ein Ozeandampfer durch grüne Täler und wüste Berglandschaften. Hier wirkt er noch wie ein Fremdkörper, ein schnaufender Wurm vor gewaltigen Bergrücken, die Tausend Jahre alt sind. Bald aber zuckelt er hinab in die Tiefe, 4800 Meter hinunter an die Küste, bis er sich schließlich im Gewühl von Lima verliert.

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Präsidentschaftswahlen in Peru

_DSC1026Am 10. April wählen die Peruanerinnen und Peruaner einen neuen Präsidenten. 20 Millionen Menschen werden wählen gehen – in Peru herrscht Wahlpflicht. Zur Auswahl stehen 19 Präsidentschaftskandidaten. Unter den fünf aussichtsreichsten Kandidaten befinden sich fast ausschließlich ehemalige Präsidenten und in früheren Wahlen gescheiterte Anwärter.

Die aussichtreichsten Kandidatinnen und Kandidaten

keikoIn derzeitigen Umfragen liegt die Konservative Keiko Fujimori (40), Kandidatin der Partei Fuerza Popular, die eigens zu ihrer Unterstützung während der Wahlen 2011 gegründet worden war, mit rund 30 Prozent weit vorne. Die  Tochter des autoritären Ex-Staatschefs Alberto Fujimori trat 2011 in der Zweiten Wahlrunde gegen den amtierenden Präsideten Ollanta Humala an und verlor die Stichwahl nur knapp. Fujimori spricht sich für eine schärfere Sicherheitspolitik, die Wiedereinführung der Todesstrafe und die Liberalisierung der Wirtschaft aus. Für Kontroverse sorgte 2011 ihre Aussage, ihren Vater begnadigen zu wollen, der 2007 wegen Korruption und schweren Menschenrechtsverletzungen in seiner Amtszeit von 1990 bis 2000 zu einer jahrzehntelangen Gefängnisstrafe verurteilt wurde. In den letzten Wochen gingen mehrere Tausend Menschen auf die Straße, um gegen die Kandidatur von Keiko Fujimori zu protestieren. Sie werfen der Kandidatin vor, Stimmen gekauft zu haben. Derzeit ermittelt die peruanische Wahlbehörde JNE in diesem Fall. In den nächsten Tagen wird sich entscheiden, ob Fujimori im Rennen bleibt.

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Erster Protestmarsch im März gegen die Kandidatur von Keiko Fujimori, Tochter des Ex-Staatschefs Alberto Fujimori, der wegen Menschenrechtsverletzungen und Korruption im Gefängnis sitzt

Nach derzeitigen Prognosen folgen auf den weiteren Plätzen Pedro Pablo Kuczinsky (Peruanos por el kambio), Alfredo Barnechea (Acción Popular), Verónika Mendoza (Frente Amplio) und Alan García (Alianza Popular).

Pedro_Pablo_kuzcynski_Oficial_2013Der neoliberale Kandidat Pedro Pablo Kuczinsky ist mit seinen 78 Jahren der Polit-Dinosaurier unter den Kandidaten. Er bewarb sich bereits 2011 um das Amt des Präsidenten. Von 1980 bis 1985 war er als Energieminister sowie als Wirtschafts-, Finanz- und später Premierminister unter der Regierung Alejandro Toledos 2001 bis 2006 tätig. Er besitzt neben der peruanischen auch die US-amerikanische Staatsbürgerschaft und arbeitete unter anderem für den Internationalen Währungsfond und die Weltbank. Wie Fujimori plädiert auch er für ein hartes Vorgehen gegen Kriminalität sowie eine Verbesserung der Infrastruktur. Seine Partei PKK zieht vor allem Technokraten und Mittelständler an, die in den letzten Jahren vom Wirtschaftsboom profitiert haben. Kuczynski gilt als Vertreter der multinationalen Unternehmen. Bei den letzten Umfragen erhielt er zwischen 14 und 20% der Wählerstimmen.

barnecheaAlfredo Barnechea (65)  ist ehemaliger Journalist und Politologe mit sozialdemokratischer Ausrichtung. In den 1980er Jahren war er Abgeordneter für die Alianza Popular Revolucionaria Americana (APRA), die älteste Partei Perus. In den 1990er Jahren unterstützte Barnechea den Literaturnobelpreisträger Mario Vargas Llosa in dessen Wahlkampf um das Amt des Präsidenten. Seit zwei Jahren ist er Mitglied der Partei Acción Popular, die mitte-rechts angesiedelt ist.

veroEin Hoffnungsschimmer im Schaulauf der vornehmlich neoliberalen und rechtspopulistischen Kandidatinnen und Kandidaten ist Verónika Mendoza des linksgerichteten Parteienbündnisses Frente Amplio. Die 36-jährige Psychologin und Sozialwissenschaftlerin gilt als Verteidigerin der Rechte der indigenen Völker. Sie plädiert für die Stärkung des öffentlichen Sektors und der Arbeitnehmerrechte, die Verbesserung der öffentlichen Bildung und der Gesundheitsversorgung. Sie will den Mindestlohn von derzeit 750 auf zukünftig 1000 Soles (circa 260 Euro) erhöhen, kleine und mittlere Unternehmen stärken und gegen millionenschwere Bergbauprojekte wie Conga oder Tía María angehen, die im letzten Jahr für zahlreiche Proteste gesorgt hatten. Mendoza steht mit ihrem Programm in starkem Kontrast zu den Kursen der anderen Kandidaten, die fast durchweg für mehr Repression, mehr Einsatz von Polizei und Militär sowie eine Verschärfung des Strafrechtes bis hin zur Einführung der Todesstrafe sind.

garciaDer ehemalige sozialdemokratische Präsident Alan García, laut Prognosen zur Zeit an fünfter Stelle, war bereits zwei Mal Präsident von Peru (1985 bis 1990 und  2006 bis 2011). Seine erste Amtszeit erlangte durch Wirtschaftskrisen, Hyperinflation und einem brutalen Vorgehen gegen die Zivilbevölkerung im Rahmen des bewaffneten Konfliktes von 1980 bis 2000 traurige Berühmtheit, seine zweite Amtszeit zeichnete sich unter anderem durch Bestechungsskandale, die brutale Niederschlagung von Protesten und dem gescheiterten Versuch der Wiedereinführung der Todesstrafe aus. Viele Wahlversprechen von 2006, die García damals nicht eingehalten hat, nennt er heute erneut.

Von der Wahl ausgeschlossen

guzman1Der nach Umfragen lange auf Platz zwei liegende Kandidat für die Präsidentschaftswahl im April, Julio Guzmán, ist vergangene Woche von der Wahl ausgeschlossen worden. Das oberste Wahlgericht (JNE) in Peru hat die Bewerbung des liberalen Politikers und Ökonomen wegen formeller Fehler bei seiner Nominierung durch die Partei „Todos Por el Perú“ annulliert. Guzmán galt als der einzige Kandidat, der in einer eventuellen Stichwahl Keiko Fujimori hätte besiegen können. Die Partei von Guzmán kritisierte die Entscheidung scharf und kündigte an, die Kampagne fortzusetzen.

acunhaNeben der Kandidatur Guzmáns erklärte das Wahlgericht auch die Bewerbung des Populisten César Acuña für nichtig. Der Mann aus einfachen Verhältnissen, der zum Millionär und Besitzer eines Universitäts-Imperiums (Universidad César Vallejo) aufstieg und als Donald Trump Perus gilt, soll bei einer Wahlkampfveranstaltung Bargeld verteilt haben. Das ist seit Januar 2016 ausdrücklich verboten. Das Votum der Richter fiel mit 5-0 entsprechend eindeutig aus. Bei Guzmán waren sich die Richter dagegen nicht so einig (3-2 Stimmen).

Die Aussichten

congreso_peruDa der zukünftige Präsident die absolute Mehrheit der Stimmen in einem Wahlgang auf sich vereinigen muss, ist der Ausgang der Wahlen im April noch völlig ungewiss. Die absolute Mehrheit erreicht momentan keiner der Kandidaten, sodass aller Voraussicht nach mehrere Wahlgänge nötig sein werden. In der Vergangenheit hat sich bereits gezeigt, dass die vielen neoliberal-konservativen Kandidaten sich unter Umständen gegenseitig die Stimmen wegnehmen, sodass Verónika Mendoza möglicherweise eine Chance haben könnte.

Was von Ollanta Humala übrig bleibt

humala1Seit 2011 wird Peru von dem Ex-Militär Ollanta Humala (Partido Nacionalista Peruano) regiert. Er hatte die Wahl mit linksnationalistischen Parolen gewonnen, dann aber einen pragmatischen, rechts-gerichteten Kurs eingeschlagen. Die Förderung von Auslandsinvestitionen vor allem im Bergbau hat Peru ein anhaltendes Wirtschaftswachstum eingebracht, vielerorts aber zu heftigen Konflikten mit Bauern geführt, die ihre Wasser- und Landressourcen durch den boomenden Bergbau bedroht sahen. Viele PeruanerInnen sind von Humala und seiner Amtszeit enttäuscht, da er viele der damaligen Wahlversprechen nicht eingehalten hat.

Stadt ohne Wasser

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Costa Verde, Miraflores

Sommer in Lima. Fast jeden Morgen spannt sich der Himmel blau und weit über die Zehn-Millionen-Metropole am Pazifik. Das Thermometer klettert täglich auf 30 Grad.  Wir freuen uns über die Sonne, von unserem Hochhaus schauen wir hinunter in einen grünen Park, rechts hinunter funkelt der Pazifik.

Aber der Schein trügt. Lima ist eine Stadt ohne Wasser an einer Küste aus Wüstensand. Wir leben in einer Blase. In unserem Stadtviertel gibt es Wasserleitungen, wir haben meistens fließendes Wasser, im Park der Residencial San Felipe bewässern die Gärtner und Gärterinnen fast täglich den knochentrockenen Boden.

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Wüstenlandschaft bei Ica, südlich von Lima

Lima ist nach Kairo die zweittrockenste Hauptstadt der Welt. Das Nass ist hier so knapp wie an wenigen anderen Orten der Welt. Jährlich fallen nur etwa zehn Millimeter Regen. Limas Wasserversorgung hängt fast komplett vom Niederschlag in den nahen Anden ab. Regen und Schnee aus den Bergen fließen aber zum allergrößten Teil in die entgegengesetzte Richtung, ins Amazonasbecken. Lima und viele andere Städte an der peruanischen Küstenwüste bleiben auf dem Trockenen sitzen. Der Fluss Rímac, der durch Lima fließt, ist meist ein trauriges Rinnsal mit Ufern voller Müll.

Die Limeños zapfen bereits die Grundwasserreserven im Erdboden an. In den besonders regenarmen Monaten zwischen Mai und September musste das Wasser in der peruanischen Hauptstadt schon mal rationiert werden. Das könnte bald noch häufiger geschehen. Durch den Klimawandel verändern sich die Niederschläge in den Anden. Die für Lima wichtigen Flüsse könnten im Jahr 2050 etwa 13 Prozent weniger Wasser führen als heute. Und der Bedarf an Wasser wächst, da die Stadt weiter wächst. 2040 könnten es 13 Millionen Menschen sein.

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Stadt der Gegensätze: wohlhabende Küstenviertel im Hintergrund, Armenviertel an den Berghängen

Die Wasseraufbereitungsanlagen des Wasserversorgers Sedapal sollten helfen, das kostbare Nass besser zu nutzen. Die Wasserwerke holen tote Tiere und Müll aus dem Rímac und filtern die Schadstoffe aus dem Wasser, die Fabriken und Bergbau-Unternehmen am Oberlauf des Flusses ungeklärt hineinleiten. Trotzdem geht fast ein Drittel des aufbereiteten Wassers auf dem Weg zum Verbraucher verloren – wegen brüchiger Leitungen und alter Kanäle, die dem Wasserdruck in den regenreichen Monaten im Andenraum (die sonnigen Monate in Lima) nicht standhalten.

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Die Verteilung von Wasser ist ein weiteres Problem. Während in den wohlhabenden Stadtteilen an der Küste und im Zentrum der Stadt das Wasser aus den Leitungen sprudelt, die Planschbecken füllt und die Gärten begrünt, sitzen viele Bewohner Limas in den steilen Hügeln am Stadtrand auf dem Trockenen. Etwa eine Million Menschen in Lima haben überhaupt keinen Zugang zu fließendem Wasser. Sie müssen das kostbare Nass aus Tankwagen kaufen und zahlen dafür viel mehr Geld als unten im Tal. Im schicken Viertel Miraflores zum Beispiel kostet das Wasser etwa 70 bis 80 Eurocent pro Kubikmeter. In Villa María dagegen, einem bevölkerungsreichen und sehr viel ärmeren Stadtteil, müssen die Bewohner das Zehnfache zahlen. Zum Vergleich: In Deutschland kostet ein Kubikmeter Wasser im Durchschnitt etwa 1,70 Euro. Dementsprechend sparsam gehen die Armen mit dem Wasser um. Weil aber die Reichen so verschwenderisch sind, liegt der durchschnittliche Verbrauch in ganz Lima bei 240 Liter pro Kopf und Tag – und damit doppelt so hoch wie in Deutschland.

Lima hat sicherlich ein Wasserproblem. Aber es müsste nicht so drastisch sein, wenn das Wasser gerechter verteilt wäre. Es wäre genug für alle da. Aber solange in den reichen Stadtvierteln die Gärten mit Trinkwasser bewässert werden, die Wasser-Tankwagen ihr Geschäft machen mit dem Verkauf von überteuertem Wasser in den Armenvierteln und das Klima so bleibt wie es ist, sieht es knapp aus.

Zum Weiterlesen: Beiträge aus der Süddeutschen und der FAZ (mit Video)