Großbrand in Lima – Cantagallo resiste

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Anfang November brannte es in Limas Altstadt. Ein gewaltiges Feuer verschlang die Häuser von rund 2000 Menschen, allesamt Shipibo-Indigenas aus dem östlichen Regenwald Perus. Cantagallo war die einzige Siedlung von Indígenas in der peruanischen Hauptstadt. Fast 300 einfache Holzhäuser  fielen den Flammen zum Opfer. 46 Menschen wurden wegen Rauchvergiftungen behandelt, ein elfjähriger Junge starb vor drei Tagen an den Folgen seiner schweren Verbrennungen.

Viele hatten ein Unglück bereits kommen sehen. Das  Viertel Cantagallo, eingezwängt zwischen einer neuen Schnellstraße und dem Blumenmarkt in Limas Altstadt, nur zehn Straßenzüge vom Präsidentenpalast und Parlamentsgebäude entfernt, hätte schon längst umgesiedelt werden sollen. Seit Anfang 2000 lebten hier auf engstem Raum rund 230 Familien von der Ethnie der Shipibo-Konibo aus dem peruanischen Regenwald. Sie hatten hier in Lima ihre alten Gemeinschaftsformen aufrechterhalten und Kunst- und Gemeinschaftszentren eingerichtet.

Die vorige Bürgermeisterin Susana Villarán hatte bereits ein Gelände für die Umsiedlung der Shipibo-Gemeinschaft erworben. Nachfolger Luis Castañeda machte das Projekt jedoch zunichte und verwendete das Geld für eine von vielen als unnötig angeprangerte Straßenüberführung. Sein Verhalten wurde in den letzten Wochen stark kritisiert, man wirft ihm Ignoranz und Rassismus vor. Gleichzeitig häufen sich die Solidaritätsbekundungen mit der Regenwald-Gemeinde; der Brand in Cantagallo und die Not der Menschen haben zahlreiche Hilfsaktionen bei verschiedensten Bevölkerungsgruppen Limas ausgelöst. Es gab Spendensammlungen, Kulturveranstaltungen, Filmvorführungen, Musik; das Rote Kreuz, Unis, NGOs, Kulturvereine sind vor Ort und unterstützen die Comunidad. Cantagallo resiste.

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Die Infostelle Peru hatte 2015 über die geplante und nun gescheiterte Umsiedlung der Shipibo-Gemeinde berichtet 

Die nachfolgende Bilddokumentation von Mayra Villavicencio und Ernesto Cabral (Ojo Público) zeigt Cantagallo und seine Bewohner den Tag nach dem Brand.

Unterwegs mit einem gezähmten Macho

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Es gab mal eine Zeit, da nannte man den Zug, der zwischen Huancayo und Huancavelica fährt, Tren Macho, Macho-Zug. „Nunca se sabe cuando sale y cuando llega“, sagte man, man wisse nie, wann der Zug abfahre und ankomme und zwischendurch halte er auch noch an vielen Stationen. Tatsächlich fuhr der Zug über viele Jahre sehr unregelmäßig, manchmal war die Verbindung wegen starker Regenfälle oder beschädigter Gleise ganz unterbrochen. Mittlerweile fährt die Diesellok wieder jeden Montag, Mittwoch und Freitag pünktlich um 6.30 Uhr ab Huancayo. Sie ist eine langsame (für 129 Kilometer braucht der Zug etwa 6 Stunden), aber wichtige Verbindung für Zehntausende Landbewohner in den umliegenden Gemeinden und vor allem erschwinglich (neun bis 13 Soles, etwa 3 Euro), was man von den wenigen anderen Zugverbindungen in Peru (Lima-Huancayo, Ollantaytambo-Aguas Calientes/Machu Picchu) nicht mehr sagen kann. Sämtliche Privatisierungsversuche des Tren Macho sind bisher gescheitert.

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Ich bin wieder einmal für den Reiseführer auf Recherchetour. Zwei Tage war ich in Huancayo unterwegs, mit Abstecher nach Tarma. Jetzt geht es weiter nach Huancavelica und weil Montag ist, will ich die Gelegenheit nutzen und mit dem Zug fahren. Weil man das Ticket nicht vorab kaufen kann, muss man rechtzeitig am Schalter sein, um einen Sitzplatz zu ergattern. Der Bahnhof ist um 5 Uhr bereits rappelvoll. Ein älterer Herr schiebt sich an mir vorbei – soy jubilado, sagt er, ich bin Rentner, und bucht die vorletzten Plätze. Ich ergattere den letzten Platz. Später wird mir der Senior gegenüber sitzen, Alberto heißt er, und wir werden über Politik streiten, über Wirtschafts- und Entwicklungsmodelle, das Leben in der Stadt und auf dem Land vergleichen und schweigend aus dem Fenster schauen, an dem Berge, Schluchten und Flüsse vorüberziehen.

Jetzt, um 5.30 Uhr vorm Bahnhof, verkaufen  fliegende Händler warmen Emoliente aus Soja und Quinoa, belegte Brötchen mit Avocado, Nüsse, Früchte und anderen Proviant. Die Luft ist kalt und klar. Ich denke an andere Züge auf der Welt, die wie kleine Raupen über Berge zuckeln, durch Ebenen rauschen, in Tunneln verschwinden, wieder auftauchen, ich denke an tagelange Bahnfahrten durch Indien, wo die Sitze abends zu dreistöckigen Betten umgebaut werden, der warme Fahrtwind weht in die offenen Abteile, an die Transsibirische Eisenbahn, über die ich bisher nur gelesen habe, ein Zug, der einen ganzen Kontinent durchquert, an langgestrecke Züge in Australien,  die The Ghan heißen oder Indian Pacific. Ich erinnere mich an die tausend vergangenen Bahnfahrten in Deutschland, in Regionalzügen oder ICEs, wo man still sitzt und sich doch fortbewegt, aber nur so schnell, dass die Seele noch Schritt halten kann.

Alberto

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Die Sonne geht auf und wir steigen in den Zug. Einige wenige Touristen sind dabei, manche wirken aufgeregt, sie machen Fotos, freuen sich auf die Fahrt. Die meisten Mitreisenden dösen bald ein. Die Landschaft zieht langsam vorüber. Händler steigen in den Zug und bieten gerösteten Mais, Brot, Mais, Wackelpudding an, Tee und Kaffee. Ich lese in der Tageszeitung La República  (eher links), Alberto liest in der Gestión (eher rechts), wir diskutieren eine Weile, schauen aus dem Fenster, lesen weiter, dösen ein. Mittags erreichen wir Huancavelica auf 3676 Meter, das Licht ist gleißend, der Ort sieht ruhig und einladend aus. Ich schnappe meine Unterlagen, den Reiseführer und die Stadtpläne und mache mich auf den Weg in die Stadt.

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