Land unter – Überschwemmungen in Peru

Hier sind die Straßen noch begehbar, woanders sind sie zu reißenden Flüssen geworden. Bild: CNN

Die Bilder und Berichte gehen in den Medien rauf und runter: Land unter in Peru. In weiten Teilen des Landes reißen derzeit Schlammfluten Häuser, Straßen und Brücken mit sich. Lima, die Stadt in der Wüste, steht teilweise unter Wasser. Was ist da los? Wissenschaftler sehen einen Zusammenhang mit dem noch rätselhaften Klimaphänomen El Niño Costero (Küsten-El-Niño), das sich bislang nur auf die Pazifikküste vor Peru und Ecuador beschränkt. Das Meereswasser vor der Küste ist um rund fünf Grad wärmer als um diese Jahreszeit üblich. Das warme Wasser sorgt für eine stärkere Verdunstung, dadurch bilden sich mehr Wolken als sonst, die wiederum an den Anden abregnen. Die heftigen Regenfälle haben die Flüsse anschwellen lassen und die dramatischen Überschwemmungen und Erdrutsche ausgelöst. Ganze Ortschaften wurden durch die reißenden Ströme zerstört – das Gefälle von den Anden zur Küste hat die Lage noch verschlimmert.

Mindestens 90 Menschen kamen bisher ums Leben, insgesamt sind mehr als 900.000 Menschen betroffen, davon 120.000, die ihr gesamtes Hab und Gut verloren haben. Die Schulen, Kindergärten und staatlichen Universitäten in Lima blieben mehr als eine Woche geschlossen. Tagelang war die Trinkwasser-Aufbereitung in der Hauptstadt wegen der Fluten und des mitgeführten Gerölls stark eingeschränkt, die Menschen versammelten sich mit Eimern und Kübeln an Straßenecken und warteten auf die Wassertanker, die sie mit dem kostbaren Wasser versorgen. Mittlerweile hat sich die Situation in Lima etwas stabilisiert, aber im Norden des Landes, vor allem in Piura, Trujillo und Lambayeque, regnet es weiter.

Um die Welt ging vor allem das Video von Evangelina Chamorro, 32, aus Punta Hermosa, einem Strandort in der Nähe von Lima. Eine Schlammlawine riss dort Häuser und Hütten, Felsbrocken und Holzbalken, Menschen und Kühe mit – und Evangelina. Komplett mit Matsch überzogen und völlig entkräftet kann sie sich ans Ufer retten und wird zum Symbol des Überlebenskampfes in Peru.

Die Solidarität im Land ist groß. Hilfsorganisationen und Katastrophenhelfer sind unterwegs und versorgen die unmittelbar Betroffenen mit Wasser, Lebensmitteln und Obdach. Soziale Einrichtungen, NGOs, Schulen und Privatpersonen sammeln seit Wochen Spenden, fahren in betroffene Gebiete, helfen beim Wiederaufbau. In den sozialen Netzwerken liest man von Spendenaufrufen, Benefizaktionen bis hin zu der Geschichte des jungen Mannes, der mit Surfbrett und aufblasbarem Einhorn in Regenbogenfarben durch die überflutete Stadt Piura  – sonst Ausgangstor zu den beliebten Sand- und Surferstränden im Norden – paddelt und Eingeschlossene aus ihren Häusern holt.

Quelle: El Comercio

Gleichzeitig ist in Peru die Debatte entbrannt, ob wirklich nur das Wetter an dem ganzen Chaos schuld ist oder ob auch die Behörden beim Katastrophenschutz versagt haben. Im Nachbarland Ecuador, wo es ähnlich stark regnete, sind die Hochwasserschäden viel geringer. Dort hatte die Regierung zuletzt viel Geld in den Bau von Dämmen und Uferbefestigungen investiert. Die dreistelligen Millionenbeträge, die im peruanischen Staatshaushalt für eben diese Investionen vorgesehen waren, wurden zu großen Teilen nicht genutzt, sondern in andere Projekte gesteckt. Dabei gibt es fast jedes Jahr zur Regenzeit Überschwemmung auf der Westseite der peruanischen Anden, die Hänge sind dort kahl, die Böden trocken und sandig, sie nehmen kaum Wasser auf. Diesmal ist es nach Angaben lokaler Medien so schlimm wie seit fünfzig Jahren nicht mehr.

Obwohl sich mehr als die Hälfte der 1800 Distrikte im Notstand befinden, verzichtet Staatspräsident Pedro Pablo Kuczynski auf die Ausrufung des nationalen Notstandes. Er befürchte eine Welle der Korruption, Bauprojekte ohne Wettbewerb und Lizenzvergabe, sagte er in einem Interview mit der CNN. Der jüngste Korruptionsskandal um Odebrecht (siehe unser Blog-Beitrag) liegt erst wenige Monate zurück. Kuczynski sagte, seine Regierung werde in Kürze einen großen Plan zum Wiederaufbau des Landes vorlegen.

Einstweilen sind aber vor allem die am schwersten betroffenen Gebiete im Norden Perus auf internationale Hilfe angewiesen. Sogar das sozialistische Krisenland Venezuela, das derzeit wahrlich nichts zu verschenken hat, schickte 100 000 Kartons mit Grundnahrungsmitteln.

Bis Anfang April sollen die heftigen Regenfälle noch andauern.

Nachtrag: Am 22. März war Internationaler Tag des Wassers. Viele Umweltorganisationen, Aktivisten und Bergbaukritiker nutzten den Tag, um auf giftige Überreste von Minen (Schwermetalle, Arsen, Zyanid) hinzuweisen, die sich knapp 100 Kilometer von Lima entfernt befinden – direkt am Ufer des Flusses Rímac. Es sei nur eine Frage der Zeit, warnten sie, bis ein noch stärkeres Hochwasser oder ein Erdbeben diese tickende Zeitbombe ins Wassersystem der 10-Millionen-Stadt einspüle und damit die Wasserversorgung für unbestimmte Zeit unterbrechen würde. Ein Horrorszenario. Auf Druck von Umweltorganisationen beschloss die Regierung mit dem Energie- und Bergbauministerium, die giftigen Bergbauabfälle zu beseitigen. Fünf Jahre später ist nichts passiert und das verantwortliche Unternehmen beantragt erneut eine Aufschiebung der Aufräumarbeiten. Hoffentlich wird sich das nicht in der näheren Zukunft übel rächen. Denn letzten Endes kann man Gold, Kupfer, Silber nicht trinken. Agua Si, Oro No.

Zum Weiterlesen: Meine Kollegin Hildegard Willer hat in der Infostelle Peru einen informativen Artikel zum Thema veröffentlicht, „Wenn es in der Wüste zu viel regnet“.

Am Hafen

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Morgens in Los Organos. Stundenlang auf der alten Mole sitzen. Den ankommenden Fischkuttern zuschauen, wie sie ihren Fang ausladen. Ein Geruch von Salz und Tang, Wind in der Luft. Die Fische wandern vom Deck in Kisten, und zack auf die Mole, da wird gewogen und gerechnet und gerufen, cuantos kilos? Dos más! Apurense! Die Fische starren gleichgültig und mit glasigen Augen in den blauen Himmel, bald geht es weiter ins Kühlhaus und ins Restaurant nebenan, heute gibt’s mal wieder Ceviche, habe ich schon erwähnt, dass Ceviche das peruanische Nationalgericht ist? Schmeckt fabelhaft. Manche Fische reisen weiter nach Máncora, Piura oder Lima, einige gar ins Ausland. Im Wasser paddelt eine Schildkröte vorbei. Wollense einen Fisch, junger Mann? Könnense gleich mitnehmen. Frischer gehts nicht.

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In den Sümpfen von Lima

RVSL_00321Das Wochenende liegt vor der Tür. Wir wollen raus aus der Stadt, einen Ort entdecken, den wir noch nicht kennen. Die Sümpfe von Villa, schlägt meine Freundin vor. Sümpfe? Ich spitze die Ohren. Sümpfe klingen gut. Wir packen die drei Kinder ein, Schaufeln, einen Eimer, eine Lupe, eine Tasche für Schätze, die wir unterwegs finden könnten und Picknicksachen. Schon im Auto sind alle Brote verputzt. Über den Circuito de Playas, eine Art Stadtautobahn direkt am Meer, kommen wir recht schnell nach Chorillos. Bald haben wir die Pantanos de Villa erreicht, ein knapp 300 Hektar großes Naturschutzgebiet. Es besteht aus Sümpfen, verzweigten Wasserstraßen, Wasserpflanzen, viel Schilf und bietet Abertausenden von Vögeln ein Zuhause. 154 verschiedene Vogelarten wurden hier identifziziert, die Hälfte davon sind Zugvögel aus dem Norden, die ab Oktober in den Sümpfen eintreffen und hier überwintern.

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Wir stapfen hinein in die Sümpfe, werden von vorbeiziehenden Schulklassen fotografiert (drei blonde Kinder!), klettern einen Aussichtsturm hinauf, dann machen wir uns auf die Suche nach den Booten. Dani, Mitarbeiterin von PROHVILLA, der städtischen Schutzbehörde für die Sümpfe von Villa, führt uns hin. Sie rudert uns eine Runde durch eine der Lagunen, „die einzige, die zugänglich ist für Besucher“, sagt sie, „sonst hätten die Vögel gar keine Ruhe“. Sie sagt, dass die Stadt viel mehr tun müsse, um die Sümpfe zu schützen. Früher war das Gebiet 1200 Hektar groß und reichte bis Pachacámac. Heute wird das Gebiet an allen Enden zugebaut, immer wieder findet man Müll, das Wasser ist längst nicht so sauber wie es sein sollte, zuviel Abwässer und Rückstände der Stadt und der Fabriken am Fluss fließen in die Sümpfe. Das Team von PROHVILLA plant gerade, mehr Umweltbildungsprojekte in den umliegenden Stadtteilen und Schulen zu machen.“Eso es un tesoro“ sagt Dani, dieses Gebiet ist ein Schatz, direkt vor der Haustüre von Lima. Hoffentlich verschwindet es nicht.

Schließlich fahren wir die paar Kilometer weiter ans Meer. Wir haben den Strand für uns alleine, kein Mensch ist weit und breit zu sehen. Ein paar Vögel schauen uns zu, wir schauen ihnen zu. Sammeln Federn, Steine und ausgewaschenes Treibholz und verstauen alles in der Schatz-Tasche. Machen Picknick, hüpfen in die Wellen und staunen, wie viel Wasser, wie viel Grün, wie viel Natur es auch in Lima gibt. Man muss nur wissen wo.

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Stadt ohne Wasser

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Costa Verde, Miraflores

Sommer in Lima. Fast jeden Morgen spannt sich der Himmel blau und weit über die Zehn-Millionen-Metropole am Pazifik. Das Thermometer klettert täglich auf 30 Grad.  Wir freuen uns über die Sonne, von unserem Hochhaus schauen wir hinunter in einen grünen Park, rechts hinunter funkelt der Pazifik.

Aber der Schein trügt. Lima ist eine Stadt ohne Wasser an einer Küste aus Wüstensand. Wir leben in einer Blase. In unserem Stadtviertel gibt es Wasserleitungen, wir haben meistens fließendes Wasser, im Park der Residencial San Felipe bewässern die Gärtner und Gärterinnen fast täglich den knochentrockenen Boden.

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Wüstenlandschaft bei Ica, südlich von Lima

Lima ist nach Kairo die zweittrockenste Hauptstadt der Welt. Das Nass ist hier so knapp wie an wenigen anderen Orten der Welt. Jährlich fallen nur etwa zehn Millimeter Regen. Limas Wasserversorgung hängt fast komplett vom Niederschlag in den nahen Anden ab. Regen und Schnee aus den Bergen fließen aber zum allergrößten Teil in die entgegengesetzte Richtung, ins Amazonasbecken. Lima und viele andere Städte an der peruanischen Küstenwüste bleiben auf dem Trockenen sitzen. Der Fluss Rímac, der durch Lima fließt, ist meist ein trauriges Rinnsal mit Ufern voller Müll.

Die Limeños zapfen bereits die Grundwasserreserven im Erdboden an. In den besonders regenarmen Monaten zwischen Mai und September musste das Wasser in der peruanischen Hauptstadt schon mal rationiert werden. Das könnte bald noch häufiger geschehen. Durch den Klimawandel verändern sich die Niederschläge in den Anden. Die für Lima wichtigen Flüsse könnten im Jahr 2050 etwa 13 Prozent weniger Wasser führen als heute. Und der Bedarf an Wasser wächst, da die Stadt weiter wächst. 2040 könnten es 13 Millionen Menschen sein.

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Stadt der Gegensätze: wohlhabende Küstenviertel im Hintergrund, Armenviertel an den Berghängen

Die Wasseraufbereitungsanlagen des Wasserversorgers Sedapal sollten helfen, das kostbare Nass besser zu nutzen. Die Wasserwerke holen tote Tiere und Müll aus dem Rímac und filtern die Schadstoffe aus dem Wasser, die Fabriken und Bergbau-Unternehmen am Oberlauf des Flusses ungeklärt hineinleiten. Trotzdem geht fast ein Drittel des aufbereiteten Wassers auf dem Weg zum Verbraucher verloren – wegen brüchiger Leitungen und alter Kanäle, die dem Wasserdruck in den regenreichen Monaten im Andenraum (die sonnigen Monate in Lima) nicht standhalten.

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Die Verteilung von Wasser ist ein weiteres Problem. Während in den wohlhabenden Stadtteilen an der Küste und im Zentrum der Stadt das Wasser aus den Leitungen sprudelt, die Planschbecken füllt und die Gärten begrünt, sitzen viele Bewohner Limas in den steilen Hügeln am Stadtrand auf dem Trockenen. Etwa eine Million Menschen in Lima haben überhaupt keinen Zugang zu fließendem Wasser. Sie müssen das kostbare Nass aus Tankwagen kaufen und zahlen dafür viel mehr Geld als unten im Tal. Im schicken Viertel Miraflores zum Beispiel kostet das Wasser etwa 70 bis 80 Eurocent pro Kubikmeter. In Villa María dagegen, einem bevölkerungsreichen und sehr viel ärmeren Stadtteil, müssen die Bewohner das Zehnfache zahlen. Zum Vergleich: In Deutschland kostet ein Kubikmeter Wasser im Durchschnitt etwa 1,70 Euro. Dementsprechend sparsam gehen die Armen mit dem Wasser um. Weil aber die Reichen so verschwenderisch sind, liegt der durchschnittliche Verbrauch in ganz Lima bei 240 Liter pro Kopf und Tag – und damit doppelt so hoch wie in Deutschland.

Lima hat sicherlich ein Wasserproblem. Aber es müsste nicht so drastisch sein, wenn das Wasser gerechter verteilt wäre. Es wäre genug für alle da. Aber solange in den reichen Stadtvierteln die Gärten mit Trinkwasser bewässert werden, die Wasser-Tankwagen ihr Geschäft machen mit dem Verkauf von überteuertem Wasser in den Armenvierteln und das Klima so bleibt wie es ist, sieht es knapp aus.

Zum Weiterlesen: Beiträge aus der Süddeutschen und der FAZ (mit Video)

Immer Sonne in Lunahuaná

P1030147Die Sonne in Lima lässt auf sich warten. Manchmal wagt sie sich ein paar Stunden hervor, dann kommt wieder die graue Wolkendecke und deckt den Himmel zu. Heute ist der 1. Januar 2015 und wir wollen raus aus der Stadt, die Sonne suchen. Auf der Panamericana Sur fahren wir Richtung Süden. Alle fahren Richtung Süden, es sindBild 077 Sommerferien, die Stadtbewohner wollen ans Meer. Die ersten Strandorte südlich von Lima tragen schöne Namen wie Punta Hermosa (schöne Spitze) oder El Silencio (die Ruhe). Ruhig ist es dort jetzt nicht, es sieht aus wie in Rimini, Sonnenschirm an Sonnenschirm und tausend badende Menschen. Am Straßenrand verkaufen fliegende Händler Wasserbälle, Schwimmreifen, Klappstühle, Sonnenschirme. Aber der Himmel ist auch hier gemütlich grau. Wir fahren weiter Richtung Süden, vorbei an Bergen aus Sand und Wüste, bis Cerro Azul. Dann biegen wir links ab und fahren ins Tal des Rio Cañete hinein. Nach zwei weiteren Stunden Fahrt sehen wir am Horizont die Berge golden leuchten. Wir sind in Catapalla, einem Dorf hinter Lunahuaná. Hier hat sich die Sonne versteckt. Hier kann man wandern, raften, reiten oder einfach nur Wein trinken und faulenzen. Hier bleiben wir.

Ein paar Eindrücke von einer Woche in den Bergen.

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Zum Weiterlesen hier ein Klimareporter-Artikel über die Wasserressourcen im Cañete-Tal.

„Lasst uns das System verändern, nicht das Klima“

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Laut und bunt mit Trommeln, Tanz und Gesang zieht der Demonstrationszug durch Lima bis zur Plaza San Martín, benannt nach dem historischen Befreier Perús. Hier soll heute aber nicht Peru, sondern die Madre Tierra – die Mutter Erde – „befreit“ werden vom Klimawandel und dem dafür verursachenden Kapitalismus. So lautet das Motto des diesjährigen Cumbre de los Pueblos (Gipfel der Völker), der Alternativgipfel zur UN-Klimakonferenz.

(zum Artikel in den Lateinamerika Nachrichten)

Der Himmel über Lima spannt sich weit und blau über die Menschenmenge. Mehr als 15.000 sind zusammengekommen, um an der Gran Marcha teilzunehmen im Zentrum der peruanischen Hauptstadt, der auf die Dringlichkeit des globalen Klimaschutzes aufmerksam machen soll. Auf Postern und Plakaten ziehen Evo Morales vorüber, Che Guevara und Maxima Chaupe (eine heldenhafte Campesina aus der Region Cajamarca, die sich der Landvertreibung durch ein Megabergbauprojekt widersetzt). “Es nuestro clima, no tu negocio – la tierra no se vende, la tierra se defende“, fordern die Teilnehmenden lautstark. Also: „Unser Klima ist nicht dein Geschäft – die Erde soll nicht verkauft, sondern verteidigt werden“. Klingt alles ziemlich stark nach Kritik an der neoliberalen Grünen Ökonomie, die auf der UN-Klimakonferenz debattiert wird.

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Eine Gruppe von Bäuerinnen aus Puno singt „Somos un río, no solo gotas“, „wir sind ein ganzer Fluss und nicht nur einzelne Tropfen“. Viele regionale Gruppen aus den Provinzen Perus sind angereist, um auf sich aufmerksam zu machen. „Wir müssen Zeichen setzen“, sagt eine junge Frau aus dem peruanischen Amazonas, „auf der offiziellen Klimakonferenz geschieht ja nichts“. Die große Stärke des Cumbre ist, dass er die vielen Stimmen der unterschiedlichen Gruppierungen, sozialen Bewegungen und NGOs bündelt. „Hier müssen wir uns vereinigen und mit einer Stimme sprechen. Nur dann können wir wirklich etwas verändern“, sagt Johanna zu mir, die aus Paris angereist ist, um heute hier zu demonstrieren. Dazwischen wir vom Red Muqui. Hier mit unseren Kollegen Edwin, Alex und Javier.

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Der Protestmarsch ist das Herzstück des viertätigen Cumbre de los Pueblos, der vom 8. bis 11. Dezember in Lima stattfand, parallel zur offiziellen UN-Klimakonferenz (COP20). Auf dem Cumbre de los Pueblos treffen sich zivilgesellschaftliche Organisationen, soziale Bewegungen und Aktivisten, um nach Alternativen zu suchen. Der Cumbre prangert das aktuelle neoliberale, auf ständiges Wachstum ausgerichtete Entwicklungsmodell an, das es als Hauptursache des Klimawandels sieht. „Cambiemos el sistema, no el clima“ lautet daher die nicht zu überhörende Parole des Cumbre. Die auf der Weltklimakonferenz diskutierten Klimaschutzstrategien des Klimawandels halten die Organisatoren des Cumbre für nicht ausreichend. Green Economy und die natürlichen Ressourcen der Erde zu privatisieren und als Waren auf den Markt zu bringen kritisieren sie als eine gefährliche Entwicklung. Die Teilnehmer_Innen fordern wirkliche Lösungen für den Klimawandel. Auf dem Cumbre werden daher konkrete Alternativen zum System des Neoliberalismus und Kapitalismus diskutiert. Themen sind unter anderem Postextraktivismus, Buen Vivir, Ernährungssouveränität und Klimagerechtigkeit.

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Perú ist eines der vom Klimawandel am stärksten betroffenen Länder. Vor allem die mehrheitliche Landbevölkerung – Campesinos und Indígenas – spüren die Veränderungen am härtesten. „Eine ehrliche Anpassung an den Klimawandel wäre die konsequente Unterstützung der familiären Landwirtschaft und der Ernährungssouveränität“, so eine Kleinbäuerin aus der Region Ancash. In Perú zeigt sich die Regierung allerdings alles andere als unterstützend für sie. Der Bergbausektor wird gestärkt und Landrechte verwässert.

„Que Viva La Madre Tierra“. “Es lebe die Mutter Erde“, steht auf einem Schild, getragen von zwei Campesinas aus der Sierra – der Andenregion. In der andinen Lebenswelt nimmt die Pachamama, Mutter Erde, eine zentrale Rolle ein. Die Erde gibt alles, was die Menschen zum Leben brauchen, Land, Wasser, Nahrung. Auf der Agrarausstellung lassen sich die Schätze der Erde mit den Händen greifen. Verschiedenste Mais- und Quinua-Sorten, etc. Die Pachamama gilt als unantastbar. Umso härter trifft es gerade die ländliche Bevölkerung Perus, dass transnationale Unternehmen mit der Zustimmung von Regierungen das Land ausbeuten.

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„Wir sind alle hier, um für mehr Klimagerechtigkeit zu kämpfen“, sagt Marco, ein Aktivist aus Lima. Der Cumbre de los Pueblos ist wie eine bunte Tüte aus Künstlern, Bauern, Aktivisten, Idealisten, Wissenschaftlern und vielen Interessierten. T-Shirts werden bedruckt und große Fahrräder zusammengebaut. Vor einem Brunnen wird mit Reis und Früchten ein Bild von einem Baum ausgelegt. Es gibt Vorträge, Ausstellungen, Diskussionsrunden, uvm. Peru 364Peru 314Während einer Paneldiskussion spricht Lourdes Huanca, Vorsitzende der Organisation FENMUCARINAP, die für mehr Rechte der Frauen kämpft. „Der Bergbau zerstört unser Leben auf dem Land und das Leben der Frauen. Wir sind hier auf dem Cumbre, um mehr Allianzen mit anderen sozialen Bewegungen zu knüpfen“. Lourdes Huanca ist eine charismatische Frau mit rundem Gesicht, buntem Hut und funkelndem Blick, sie weiß wofür sie kämpft: „Mit Prinzipien und Überzeugung gegen die Ausbeutung unseres Landes und gegen die Kriminalisierung von sozialen Protesten“. Sie fordert mehr Rechte für Bäuerinnen, für Ernährungssouveränität und für ein würdiges Leben auf dem Lande.

Im Hintergrund skandiert eine Gruppe „Conga no va“ (wir sind gegen Conga – ein geplantes Mega- Bergbauprojekt im Norden Perus). Im Pressezelt überträgt Radio Cumbre Live-Interviews mit anwesenden Führern sozialer Bewegungen und Aktivisten. Gerade gibt Eduardo Gudynas aus Uruguay ein Interview, wie unsere Wirtschaft und Gesellschaft auch ohne Bergbau gut funktionieren könnte. Dann folgt ein Gespräch mit einer peruanischen NGO über die Gefahren des Fracking im Amazonas-Gebiet. Nebenan tippen Blogger und Presseleute in ihre Laptops, fotografieren und notieren. Dann begegne ich auf dem Gelände wieder meinem heimlichen Freund, Hugo Blanco. Der historische Führer der Bauern- und Indigenenbewegung, der in den 60er Jahre stark für eine Agrarreform gekämpft hat. Er gibt gerade ein Interview über die Unterdrückung der sozialen Bewegungen in Peru.

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Der Cumbre ist ein wichtiger Moment, um die Stimmen der Zivilgesellschaft und der sozialen Bewegungen im Land bzw. in Lateinamerika zu vereinen. Das ist nicht einfach. Denn gerade in Perú sind die sozialen Gegenbewegungen stark fragmentiert. Umso wichtiger ist es, auf diesem Cumbre starke Allianzen zu schließen und auch nach dem Cumbre sich gemeinsam für ihre Rechte und den Erhalt der Madre Tierra einzusetzen. Der Cumbre hält fest an dem Veränderungsgeist, dass eine andere Welt möglich ist. „Wir müssen auf diese eine Welt aufpassen, hoffen wir, dass die Politiker und die Wirtschaftslobbyisten das auch denken, sonst sind die Folgen der Ausbeutung und Zerstörung irgendwann nicht mehr aufzuhalten, auch nicht mit gutgemeinten Klimakonferenzen“. Bis jetzt sieht es aber leider garnicht danach aus. Denn die UN-Klimakonferenz in Lima war „kein Weckruf, sondern ein Schlafgesang für den internationalen Klimaprozess“. Umso wichtiger ist es, dass die unterschiedlichen vertretenen Gruppen, Aktivisten, und sozialen Bewegungen mit einer deutlichen Stimme sprechen. „Cambiemos el sistema, no el clima“.

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Die offenen Adern Perús

Perú 073Vielen Lagunen (hier: Lagune Parón, 4.170m) droht die Trockenlegung, da das Wasser für den Bergbau benötigt wird. Für die andine Gemeinschaft sind Lagunen jedoch unantastbar und sollten damit unter kulturellem Schutz stehen.

Arbeiten in einem kritischem Kollektiv

Wir wollen euch einen ersten Einblick in unsere Arbeit hier in Lima und Perú geben: Das Red Muqui ist ein Kollektiv, das aus 28 verschiedenen Basis-Organisationen im ganzen Land besteht. Das Netzwerk widersetzt sich dem aktuellen extraktivistischen Entwicklungsmodell, das Naturressourcen ausbeutet, und entwirft Vorschläge für eine neue umwelt-und sozialgerechtere Bergbaupolitik für Perú.

Rohstoffausbeutung schafft wenige Gewinner und viele Verlierer

Durch das neoliberale, kapitalistische Entwicklungsmodell, das in Perú vorherrscht, werden die vielen Rohstoffe des Landes (Gold, Silber, Kupfer, Zink, etc.) ausgebeutet und exportiert. Daran beteiligt sind transnationale Konzerne und Regierungen. Auch die deutsche Regierung hat vor kurzem mit dem peruanischen Präsidenten Humala ein Rohstoffabkommen unterzeichnet, das unterm Strich deutschen Unternehmen leichteren Zugang zu den Ressourcen ermöglicht und dabei weniger Umwelt- und Sozialstandards einhalten muss. Der Traum vieler Peruaner, durch den Bergbau „Entwicklung“ (was auch immer das ist) zu schaffen, ist ein Albtraum. Wer einmal „Die offenen Adern Lateinamerikas“ von Eduardo Galeano gelesen hat, weiß, dass seit der Kolonialisierung die Reichtümer der Länder Süd- und Mittelamerikas im großen Stil geplündert und nach Norden geschafft wurden. Daran hat sich bis heute nicht viel geändert. Für die Natur und die Landbevölkerung haben diese Ausbeutung verheerende Folgen: Verschmutzung von Wasser (Quecksilber), Land und Luft (Blei), Landvertreibungen, Arbeitslosigkeit, politische Diskriminierung, u.v.m.

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Der Hunger nach Rohstoffen zerstört das Land. Davon betroffen ist v.a. die große Mehrhzahl der Menschen im ländlichen Perú, die von kleinbäuerlicher familiärer Landwirtschaft lebt. Sich selbst zu versorgen mit Kartoffeln, Mais, Quinua, und einer Vielzahl verschiedener Getreidesorten ist eine jahrhunderte alte Tradition. Dafür benötigen die Menschen Zugang zu ausreichend sauberem Wasser, welcher durch den Bergbau nicht mehr garantiert   ist.

Um diesen zerstörerischen Bergbau zu bändigen und Alternativen vorzuschlagen, haben sich vor einigen Jahren einige aktive Organisationen zum Netzwerk Red Muqui zusammengeschlossen. Im Zentralbüro dieses Kollektivs in Lima arbeiten wir beide unterstützend mit.

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Das hier sind ein paar Themen, die uns und das Red Muqui bewegen.