Huamanga, Stadt mit Vergangenheit

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Normalerweise bin ich vor Reisen recht gut informiert über den Ort, an den ich fahre. Vor allem, wenn es eine Recherchereise für einen Reiseführer ist. Als ich also vor einiger Zeit eine Tour durch die Berge machte, von Huancayo über Tarma, Huancavelica nach Ayacucho, war ich auf vieles vorbereitet. Aber Ayacucho hat mich völlig überrascht.

Die Begegnung mit Huancayo war nett. Huancavelica war schroff und schön zugleich. In Ayacucho habe ich mich verliebt. Und viel dazugelernt. Gleich das erste, was mich überraschte, war der Name selbst. Huamanga hörte ich immerzu, Huamanga. Die Bewohner nennen ihre Stadt seit Jahrhunderten so, mit Ayacucho bezeichnen sie den Namen der gesamten Provinz. Aber dennoch hat sich Ayacucho international als Stadtname durchgesetzt.

Ich mag den Namen Huamanga. Er geht runter wie Butter. Ich blieb länger in der Stadt als nötig, saß auf der Plaza, machte mir Notizen, wanderte durch die Straßen. Ich war ganz beseelt.

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Huancavelica

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img_9018huanca5Es begann schon in Huancavelica, wo ich mit dem Tren Macho angekommen war. Eine schöne kleine Stadt. Schroffe Felsen, warme Quellen, knorrige Menschen, die unbekümmert ihrer Arbeit nachgehen. Ich erfragte und erwanderte mir sämtliche Infos für den Reiseführer und verlor mich eine Stunde in einer kleinen eindrücklichen Ausstellung über die Zeit des Terrorismus in den 1980er und 1990er Jahren.

Früh am nächsten Morgen fuhr ich mit meinem Reisebegleiter (einem knapp 30-jährigen Afro-Limeno mit derbem Lima-Slang, der neun Jahre in der Ukraine gelebt und studiert hatte und mir von seiner ersten Liebe Natalja erzählte und dass er jetzt für ein Start-Up-Unternehmen Fertig-Schulen in die entferntesten Gegenden des Landes bringe), also am nächsten Morgen früh um fünf fahren wir ins Altiplano hoch, wo kein Baum mehr steht, aber Hunderte von Lamas weiden, die Lagune Choclococha schillert im Sonnenlicht, im Auto wickeln Dani (mein Reisebegleiter), ein Vater mit Sohn und zwei Frauen uns in nach Schaf riechende Wolldecken, während im Radio abwechselnd Modern Talking und peruanische Folklore läuft. Eine denkwürdige Reise.

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In Rumachaca, einer Kreuzung irgendwo im scheinbaren Nirgendwo, steigen wir aus, wir müssen uns ein weiteres Sammeltaxi besorgen für die Weiterfahrt nach Ayacucho. Das geht schneller als erwartet. Mit einem Fahrer, der auf der kurvigen Strecke so müde wird, dass ich um mein Leben fürchte und wir ihn dazu anhalten, sich kurz zu erfrischen, kommen wir um neun Uhr am Parque Sucre an. Nächste Erkenntnis: es ist nicht die Plaza de Armas, wie viele meinen. Die Bewohner sagen ausschließlich Parque Sucre. Der Platz ist noch leer, die Stadt wacht gerade erst auf. Vom Himmel scheint eine kräftige Sonne.

Was dann folgt, ist augenöffnend. Leute, vergesst Cusco. Ayacucho ist mindestens genauso schön. Eine Stadt voller alter Gebäude, Kirchen, Cafés und Kunsthandwerker. In der Ebene außerhalb der Stadt wurde die Unabhängigkeit von Spanien besiegelt. Die Profile der Menschen sind scharf geschnitten, ihr Stolz ungebrochen. In den Tagen, in denen ich dort bin, ziehen immer wieder Kapellen durch die Straßen, Heiligenfiguren werden aus den Kirchen geholt, Frauen und Männer in bunten Kleidern reiten über die Plaza, Holz tragende Esel hinterdrein.

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Ayacucho ist (immer noch) eine der ärmsten Provinzen des Landes und hat furchtbare Jahre der Gewalt und des Terrors ertragen müssen. Hier begann der Sendero Luminoso seine vermeintliche Revolution. Hier wurden Abertausende Menschen aus ländlichen Gebieten rekrutiert, hier starben Zehntausende auf grausamste Weise im fast 20 Jahre andauernden Bürgerkrieg, wurden verschleppt und gefoltert. Immer noch forschen Menschen in Massengräbern nach ihren Angehörigen. Die Wunden sind noch lange nicht verheilt. Das Museo de la Memoria (Museum der Erinnerung), initiiert von der Organisation der Opfer und Hinterbliebenen ANFASEP (Asociación Nacional de Familiares de Secuestrados, Detenidos y Desaparecidos del Perú) und von deutschen Organisationen (Deutsche Botschaft, DED, GTZ u.a.) unterstützt, ist ein Zeichen dafür.

Das Schwarz-Weiß-Foto der Familie oben hat der Fotograf Baldomero Alejos in den 1940er Jahren aufgenommen. Er kam aus Huancavelica und machte Mitte des letzten Jahrhunderts Zehntausende Bilder in Ayacucho. Seine Enkel wollen seine Bilder, die bisher in Archiven schlummerten, jetzt der Öffentlichkeit zugänglich machen.

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Am Hafen

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Morgens in Los Organos. Stundenlang auf der alten Mole sitzen. Den ankommenden Fischkuttern zuschauen, wie sie ihren Fang ausladen. Ein Geruch von Salz und Tang, Wind in der Luft. Die Fische wandern vom Deck in Kisten, und zack auf die Mole, da wird gewogen und gerechnet und gerufen, cuantos kilos? Dos más! Apurense! Die Fische starren gleichgültig und mit glasigen Augen in den blauen Himmel, bald geht es weiter ins Kühlhaus und ins Restaurant nebenan, heute gibt’s mal wieder Ceviche, habe ich schon erwähnt, dass Ceviche das peruanische Nationalgericht ist? Schmeckt fabelhaft. Manche Fische reisen weiter nach Máncora, Piura oder Lima, einige gar ins Ausland. Im Wasser paddelt eine Schildkröte vorbei. Wollense einen Fisch, junger Mann? Könnense gleich mitnehmen. Frischer gehts nicht.

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Cusco: einmal Endstation, bitte

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Im Dezember war ich noch einmal auf Recherchereise für den Reiseführer unterwegs. Diesmal ging es nach Cusco, die Perle der Anden, der Nabel der Welt (wie die Inka früher sagten), die Hochburg der Touristen. Auch beim mittlerweile fünften Besuch immer wieder wunderschön.

Zwar stand meine Anreise unter keinem guten Stern: mein Flug am Mittwoch morgen wurde immer wieder auf spätere Stunden verschoben und zuletzt am späten Nachmittag gecancelt.  Am nächsten Tag um 4.30 Uhr  sollte ein Ersatzflug gehen, sagte man uns. Die Gruppe protestierte wütend, aufgebracht, die Informationspolitik von Peruvian sei miserabel. Berufliche und private Termine mussten gecancelt werden, die Airline sämtliche Kosten für verpasste Züge zum Machu Picchu, Inkatrail usw. übernehmen.  Am Donnerstag im Morgengrauen treffen wir uns also wieder, 30 übermüdete Menschen, wir bestellen starken Kaffee, lächeln uns halb trotzig zu und jubeln innerlich, als wir endlich abheben.

In Cusco angekommen, fahre ich hoch zu Liz und Fabian, meinen Freunden, die mich für die Tage beherbergen. Sie wohnen hoch oben an den Hügeln des archäologischen Parks Sacsayhuaman in einer Siedlung aus Lehmhäusern. Von hier oben scheint das Treiben der Stadt sehr fern, Hunde bellen, es riecht nach Eukalyptusbäumen, die Nachbarn stapfen in Gummistiefeln vorbei, in der Nacht hat es heftig geregnet und die unbefestigten Wege sind aufgeweicht.

Liz und Fabi sind mit ihren beiden Kindern vor einem Jahr aus Lima nach Cusco gezogen. Ein kleines Häuschen neben ihrem eigenen Heim vermieten sie über AirBnB, Chalet Andino SiwaarJoopi nennen sie es – das Quechua-Wort Siwarq’ente bedeutet Kolibri und Joopi bedeutet Eule auf Wallisertitsch, Fabi kommt aus der Schweiz.

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Die Siedlung El Tambillo von Sacsayhuaman aus

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In den nächsten Tagen fahre ich frühmorgens hinunter zur Plaza Mayor, klappere Unterkünfte und Restaurants ab, erkundige mich bei PeruRail und InkaRail nach Zugpreisen nach Aguas Calientes (deutlich gestiegen), Eintrittspreisen zum Machu Picchu (deutlich gestiegen) und Touren in der Umgebung (die beliebteste zur Zeit: der Rainbow Mountain/Cerro Colorido auf 5000 Meter Höhe). Einmal fahre ich bei Sonnenaufgang ins Urubamba Tal, von Pisac nach Urubamba nach Ollantaytambo, viele alternativ lebende Menschen haben sich in den letzten Jahren um Urubamba niedergelassen, es gibt Yogazentren und andere Heilkünste, Schamanismus, vegane Küchen und Zirkusschulen. Manche finden das gut, manche schauen mit Stirnrunzeln auf die Hippies im Tal.

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Fußball spielende Kinder in Ollantaytambo

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Und jeden Abend fahre ich wieder hoch in die Siedlung der Lehmhäuser. Ein einziger Bus fährt dorthin, der grüne Inka Express. Bis zur Endstation bitte, sage ich, „hasta la escuelita en el barrio Ayuda Mutua“ (was für ein schöner Name für einen Stadtteil „Gegenseitige Hilfe“) und die Mitreisenden fragen sich, was die Gringa da oben will. Manche fragen nach, es entspinnen sich nette Gespräche. Auf dem Weg fühlt es sich fast ein wenig weihnachtlich an, die Menschen haben Mützen auf und dicke Jacken an, unten blinkt Cusco mit tausend Lichern, der Himmel über dem Berg hängt voller Sterne. Bei Liz und Fabi gibt es heißen Tee und drei übermütige Kaninchen, die ihre Tochter Wayra auf dem Markt entdeckt hat und die Liz gutmütig gekauft hat. Es wird ein lustiger Abend.

Bis bald, Cusco.

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Ollantaytambo. Bild meines Kollegen Jorge Riveros-Cayo

Unterwegs mit einem gezähmten Macho

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Es gab mal eine Zeit, da nannte man den Zug, der zwischen Huancayo und Huancavelica fährt, Tren Macho, Macho-Zug. „Nunca se sabe cuando sale y cuando llega“, sagte man, man wisse nie, wann der Zug abfahre und ankomme und zwischendurch halte er auch noch an vielen Stationen. Tatsächlich fuhr der Zug über viele Jahre sehr unregelmäßig, manchmal war die Verbindung wegen starker Regenfälle oder beschädigter Gleise ganz unterbrochen. Mittlerweile fährt die Diesellok wieder jeden Montag, Mittwoch und Freitag pünktlich um 6.30 Uhr ab Huancayo. Sie ist eine langsame (für 129 Kilometer braucht der Zug etwa 6 Stunden), aber wichtige Verbindung für Zehntausende Landbewohner in den umliegenden Gemeinden und vor allem erschwinglich (neun bis 13 Soles, etwa 3 Euro), was man von den wenigen anderen Zugverbindungen in Peru (Lima-Huancayo, Ollantaytambo-Aguas Calientes/Machu Picchu) nicht mehr sagen kann. Sämtliche Privatisierungsversuche des Tren Macho sind bisher gescheitert.

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Ich bin wieder einmal für den Reiseführer auf Recherchetour. Zwei Tage war ich in Huancayo unterwegs, mit Abstecher nach Tarma. Jetzt geht es weiter nach Huancavelica und weil Montag ist, will ich die Gelegenheit nutzen und mit dem Zug fahren. Weil man das Ticket nicht vorab kaufen kann, muss man rechtzeitig am Schalter sein, um einen Sitzplatz zu ergattern. Der Bahnhof ist um 5 Uhr bereits rappelvoll. Ein älterer Herr schiebt sich an mir vorbei – soy jubilado, sagt er, ich bin Rentner, und bucht die vorletzten Plätze. Ich ergattere den letzten Platz. Später wird mir der Senior gegenüber sitzen, Alberto heißt er, und wir werden über Politik streiten, über Wirtschafts- und Entwicklungsmodelle, das Leben in der Stadt und auf dem Land vergleichen und schweigend aus dem Fenster schauen, an dem Berge, Schluchten und Flüsse vorüberziehen.

Jetzt, um 5.30 Uhr vorm Bahnhof, verkaufen  fliegende Händler warmen Emoliente aus Soja und Quinoa, belegte Brötchen mit Avocado, Nüsse, Früchte und anderen Proviant. Die Luft ist kalt und klar. Ich denke an andere Züge auf der Welt, die wie kleine Raupen über Berge zuckeln, durch Ebenen rauschen, in Tunneln verschwinden, wieder auftauchen, ich denke an tagelange Bahnfahrten durch Indien, wo die Sitze abends zu dreistöckigen Betten umgebaut werden, der warme Fahrtwind weht in die offenen Abteile, an die Transsibirische Eisenbahn, über die ich bisher nur gelesen habe, ein Zug, der einen ganzen Kontinent durchquert, an langgestrecke Züge in Australien,  die The Ghan heißen oder Indian Pacific. Ich erinnere mich an die tausend vergangenen Bahnfahrten in Deutschland, in Regionalzügen oder ICEs, wo man still sitzt und sich doch fortbewegt, aber nur so schnell, dass die Seele noch Schritt halten kann.

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Die Sonne geht auf und wir steigen in den Zug. Einige wenige Touristen sind dabei, manche wirken aufgeregt, sie machen Fotos, freuen sich auf die Fahrt. Die meisten Mitreisenden dösen bald ein. Die Landschaft zieht langsam vorüber. Händler steigen in den Zug und bieten gerösteten Mais, Brot, Mais, Wackelpudding an, Tee und Kaffee. Ich lese in der Tageszeitung La República  (eher links), Alberto liest in der Gestión (eher rechts), wir diskutieren eine Weile, schauen aus dem Fenster, lesen weiter, dösen ein. Mittags erreichen wir Huancavelica auf 3676 Meter, das Licht ist gleißend, der Ort sieht ruhig und einladend aus. Ich schnappe meine Unterlagen, den Reiseführer und die Stadtpläne und mache mich auf den Weg in die Stadt.

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In anderen Sphären: Marcahuasi

img_6682Es gibt eine Gruppe hier in der Stadt, die nennt sich Getaway Lima. Sie organisiert regelmäßig Ausflüge in die Umgebung von Lima. Rafting in Lunahuaná, Baden in der Oasis Morón, Wandern in den Lomas de Lachay. Einmal waren wir mit Getaway ein paar Stunden mit dem Kayak auf dem Pazifik paddeln, diesmal war der Ausflug länger und weiter weg: Marcahuasi war das Ziel, ein mysthisch anmutender Steinwald auf gut 4000 Meter Höhe, wo man nachts meint, die Sterne berühren zu können und wo sich hartnäckig das Gerücht hält, dass man hier Ufos und andere Erscheinungen sichten kann.

Marcahuasi ist einen guten 3-Stunden-Aufstieg von San Pedro de Casta entfernt, einem Dörfchen, das man nach 4 Stunden Fahrt von Lima erreicht, 2 Stunden davon über eine beängstigend schmale Schotterpiste ohne Sicherung an tiefen Schluchten vorbei, die es allemal mit der Carretera de la Muerte in Bolivien aufnehmen könnte.

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San Pedro de Casta liegt wie ein Adlerhorst auf einer gewaltigen Felsklippe. Wir stärken uns mit einem Mittagessen aus Suppe, Reis und Fleisch und schnallen unsere Rucksäcke auf. Ein paar Esel tragen unsere Zelte und anderes Gepäck. Dann geht es los, über einen vor zwei Jahren gut ausgebauten Wanderweg. Die Strecke an sich ist nicht lang – etwa 5 Kilometer vom Dorf bis zur Stätte – aber geht stetig bergauf. Das Herz fängt an zu pumpen. Wir laufen langsamer, Schritt für Schritt, machen alle paar Hundert Meter Pausen und lutschen Zitronenbonbons. Manche haben Koka-Blätter dabei, das uralte Mittel gegen Soroche, die Höhenkrankheit der Anden.

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img_7997An einer Weggabelung entscheiden wir uns für den kürzeren, aber steilen Weg, der uns direkt auf das Felsplateau von Marcahuasi bringen soll. Die Esel laufen um den Berg herum und durch eine schmale Schlucht bis zum Amphitheater, wo wir unsere Zelte aufschlagen werden. Die letzten 500 Meter schleppen wir uns langsam die Stufen hinauf, mir ist schwindelig und ich frage mich, was ich meinem Körper da eigentlich antue, mich an einem Tag von Meereshöhe auf 4000 Meter zu begeben. Aber dann biegen wir um eine Felsnase und sind da. Ein gewaltiger Felsbrocken, der die Form eines Kopfes hat, schaut uns gleichmütig an. Vielleicht nickt er ein wenig, ich weiß es nicht mehr. Wir treten ein in eine andere Welt. Der Himmel ist so dunkelblau wie sonst nur hoch oben im Flugzeug. Die Granitfelsen glattgeschliffen wie mit einem gewaltigen Schmirgelpapier, Boulderer würden hier das Paradies auf Erden finden. Auf Felsvorsprüngen stehen geduckte Häuser aus Stein, Chullpas genannt, sie sind präinkaische Grabstätten, in denen die Toten mit Besitztümern wie Kleidung, Schmuck und Ausrüstungsgegenständen in Kauerstellung bestattet wurden. Die meisten Chullpas  haben nur eine Öffnung, in Richtung Osten zur aufgehenden Sonne.

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img_8023Wir verlieren uns auf dem weitläufigen, fast vier Quadratkilometer großen Plateau, folgen den aufgeschichteten Steinhäufchen und gelangen schließlich zu einer engen Schlucht. Wir gehen hinein und schlottern gleich vor Kälte. Unten im Amphitheater ist die Sonne schon nicht mehr zu sehen und wir bekommen eine Ahnung, wie kalt es später werden wird.

Als die Sonne in einem sagenhaften Meer aus Farben hinter dem Horizont verschwunden ist, bricht die Nacht herein. Und tatsächlich wird es bitterkalt. Die Temperaturen sinken unter Null. Wir ziehen uns immer weitere Schichten Thermoklamotten an. Der Sternenhimmel hängt so tief über uns mit einer Milliarde von Sternen, dass wir das Gefühl haben, den Kontakt zur Erde verloren zu haben. Nachts wache ich ständig auf. Sternschnuppen sausen vorbei. Wenn in dieser Nacht espíritus, Geister, aufgetaucht wären, es hätte mich nicht gewundert. Erstaunt sind wir darum auch nicht, als wir am nächsten Tag beim Abstieg eine seltsame Kugel über Marcahuasi schweben sehen, reglos und weiß schimmernd. Wir denken, dass es ein Wetterballon sein muss, irgendwas Wissenschaftliches, was auch immer. Aber insgeheim sind wir uns sicher, dass es ein UFO war.

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Ein Ufo über Marcahuasi?

Der unstillbare Hunger nach Rohstoffen

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Während unserer Deutschland-Reise war Mattes mit anderen AGEH-Fachkräften und ihren Projektpartnern nach Bonn eingeladen worden, um an einer Workshopwoche zum Thema Rohstoffe teilzunehmen.  Denn Abbau und Verbrauch von Rohstoffen sind ein verbindendes Thema zwischen Menschen im Süden und im Norden. Deutschland ist einer der Hauptabnehmer von peruanischem Kupfer und hat sich 2014 den Zugang zu den für die Industrie wichtigen Metallen in einer Rohstoffpartnerschaft mit Peru gesichert. Jede fünfte Tonne Steinkohle, die deutsche Kraftwerke 2013 in Strom umgewandelt haben, kam aus Kolumbien.

Zu der Workshopreihe kamen Mitarbeiter*innen aus Kolumbien, Kongo, Südafrika und Sierra Leone. Aus Peru war Mattes‘ Red Muqui Kollege Edwin Alejandro dabei und Mirtha Vásquez, die Anwältin von Máxima Acuna (die vor kurzem einen Umweltpreis für ihren Widerstand gegen die Yanacocha Mine gewonnen hat, siehe unser Blog-Beitrag). Bodenlos – Auwirkungen des Bergbaus auf Umwelt und lokale Bevölkerung war der Titel der Veranstaltung, mit der die AGEH Entwicklungshelfer*innen, Projektpartner und Finanzgeber zusammenbrachte, um Erfahrungen zu teilen und internationale Vernetzungen zu knüpfen. Viele Projektpartner der AGEH setzen sich in ihren Ländern dafür ein, dass die Auswirkungen des immensen Rohstoffabbaus auf Umwelt und Bevölkerung von den Minenbetreibern sozial verträglich und nachhaltig gestaltet werden.  Die Regierungen in den Ländern des Südens wollen oder können die Rechte ihrer Bevölkerung oft nicht schützen. Immer wieder kommt es zu Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und schlimmen Umweltschäden. Es war sehr spannend, aber auch erschreckend zu sehen, dass sich die Konfliktlage in den verschiedenen Ländern sehr ähnelt. Bei einem Besuch im Tagebau Garzweiler in der Nähe von Bonn konnten die Teilnehmenden sehen, wie die Auswirkungen der Kohleförderung in Deutschland sind und welche Strategien der Entschädigungen oder Umsiedlung es gibt.

Zum Thema Bergbaukonflikte gibt es hier einen interessanten Film aus Kolumbien, entstanden in einer Kooperation zwischen AGEH/Ziviler Friedensdienst, der Corporación Podion und dem Netzwerks für Demokratie und Frieden (Red Nacional en Democracia y Paz).

Wenige Tage später gab es in Berlin in der Heinrich-Böll-Stifung eine weitere öffentliche Veranstaltung zum Thema, die unter anderen das Kolumbien-Netzwerk kolko, die Kampagne „Bergwerk Peru – Reichtum geht, Armut bleibt“, Misereor und die AGEH mit ihren Partnerorganisationen organisiert hatte. Der unstillbare Hunger nach Rohstoffen war die Veranstaltung betitelt und so sprachen die Referent*innen (Bärbel Höhn, Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses, die peruanische Anwältin Mirtha Vásquez von der NGO Grufides, der kolumbianische Anwalt Luis Guilbild_boelllermo Pérez Casas, Tatiana Rodríguez Maldonado von CENSAT Agua Viva und Leonardo González vom Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz ) in der Podikumsdiskussion über bestehende Bergbaukonflikte in Peru und Kolumbien und über die Verantwortung, die die deutsche Regierung und Wirtschaft dabei einnehmen.

Zum Weiterlesen gehts hier zum Artikel der Infostelle Peru

Spätsommer im Kastanienland

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Wir sind zurück aus Deutschland. Einen Monat lang haben wir einen wunderbar sonnigen September genossen, mit Planschbecken-Geplansche, Grillabenden, Nachmittagskaffee auf den warmen Stufen vorm Haus, glänzenden Kastanien, Fahrradfahrten unterm Sternenhimmel, vielen Kindern, Freunden und unseren Familien im Bremer Umland und im Münsterland. Ein Wochenende haben wir mit meinem Bruder und seiner Freundin auf dem Schauinsland in Freiburg Hochzeit gefeiert. Dank der wunderbaren Freiburger Klezmer-Band  Haiducken ging schon um sechs Uhr abends so die Post ab, dass die Nacht eigentlich nicht schöner werden konnte. (Als im Morgengrauen die Karnevalskamellen aufgelegt werden – mein Bruder hat lang in Köln gelebt – bin ich glücklicherweise schon im Bett)

Später dann fuhren wir mit dem ICE, den die Kinder so vermisst haben, nach Köln zur AGEH. Zugfahren, welch ein Luxus. Pommes essen hinterm Bahnhof in Köln. Erinnerungen wachrufen an die Zeit vor zwei Jahren, als wir ganz aufgeregt in den Vorbereitungskursen saßen und unser Umzug nach Lima noch bevorstand.

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Und dann weiter nach Berlin, wo wir früher gewohnt haben, wo alles so war wie immer und sich die Zeit doch auch weiterdreht. Kleine Menschen, die hinzugekommen sind, große Menschen, die nicht mehr da sind, neue Wohnungen, andere Partner, gleiche Spielplätze und Wege, auch Jakobs Kita ist noch so wie früher mit seiner Erzieherin Annette, nur dass Jakobs Freunde und er selbst ja auch jetzt nicht mehr pummelige 3-jährige sind, sondern hochgeschossene Vorschulkinder. „Und Jakob, was hast du so erlebt?“, fragt Karim. Schulterklopfen, dann ab auf die Roller und losgeflitzt. Auf dem Tempelhofer Feld wurde weiter gewerkelt, es gibt jetzt ein Flugzeug aus Holzpaletten und kleine Holzhütten mit rot-weiß gestreiften Markisen, die Hochbeete quellen immer noch über vor Blumen, Kräuter, das Bienenhotel ist auch noch da.

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Fast fühlt es sich so an, als ob wir nie weggewesen wären aus Berlin. Wir mögen die Stadt immer noch sehr. Aber als wir dann wieder im Flugzeug sitzen und über den weiten blauen Ozean zurückfliegen in unser anderes Zuhause, da sagt Jakob „mein Körper lacht von innen, weil ich mich so freue“ und ich finde, das trifft es genau.

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Am Ufer des Amazonas

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Vor kurzem bin ich (Eva) nach Iquitos im Departamento Loreto geflogen – zum ersten Mal richtig hinein in den Regenwald, der fast 60 Prozent der Fläche Perus ausmacht. Fliegen war (fast) die einzige Option – man hätte auch 20 Stunden mit dem Bus nach Yurimaguas und dann zwei Tage mit dem Boot fahren können. Eine direkte Straße nach Iquitos gibt es nicht – sie ist die größte Stadt der Welt, die nicht per Landweg zu erreichen ist. Eine Insel mit 400.000 Einwohnern, 30.000 Mototaxis und einer Luftfeuchtigkeit von 90 Prozent. Ein Abenteuer.

Mit im Gepäck hatte ich den Stefan Loose Reiseführer, der für die nächste Ausgabe (2017) aktualisiert werden muss. Mein Auftrag: einen Tag Informationsbüros, Hotels, Restaurants abklappern, Abfahrtszeiten von Booten und Flügen klären und die Lodges im Amazonas überprüfen. Der Autor des Buches, Frank Herrmann, lebt mittlerweile wieder in Deutschland und brauchte Recherche-Unterstützung für das neue Buch. Gerne.

Auch mit dabei war Susanne, eine gute Freundin. Die hatte sich direkt in einer schönen Lodge einquartiert (Muyuna Lodge, ca. 140 Kilometer flussaufwärts des Amazonas). Ich folgte am Sonntag morgen. Vorher lief ich kreuz und quer durch Iquitos, genoß die Hitze und freute mich über die Wirkung der Vitamin-B-Tabletten, die ich in der Woche vor der Abreise genommen hatte: kein einziger Moskito wollte mich verspeisen. Ich dachte an Kuba und fand, dass Iquitos ein ähnliches Flair von verfallener, tropischer Schönheit hat wie Havanna; zu Zeiten des Kautschukbooms in Iquitos Ende des 19. Jahrhunderts wurden prunkvolle Kolonialbauten an den Malecón gesetzt, die noch heute gleichmütig auf den Fluss schauen.

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Ich saß am Hafen im Gewusel zwischen dem Ein- und Ausladen der Schiffe und schauteam Abend, als der Himmel tiefblau wurde, auf das spiegelglatte Wasser hinaus. Ich dachte an all die Geschichten und Mythen, die sich um den Amazonas ranken, Filme, die hier gedreht wurden (Fitzcarraldo u.a.), mächtige Pflanzen (Ayahuasca), deretwegen Menschen aus aller Welt hierherkommen. Die Weltanschauung der Bewohner des Amazonasgebietes beruht auf einer starken Verbindung zur Natur. Der Wald atmet, in den Stämmen der Bäume sitzen Geister und in den Tieren die Seelen Verstorbener. Das Wohlergehen der Menschen hängt von der Kontrolle dieser zahllosen übernatürlichen Kräfte ab. Mit Riten und Zeremonien bewahren sie die universale Harmonie, magische Mittel spielen eine wichtige Rolle. „Für uns ist der Regenwald ein lebendiges Wesen“, sagte Albino später, ein Mitarbeiter der Muyuna Lodge, der aus dem nahegelegenen Dorf San Juan kommt.

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Am Tag drauf fuhr ich zu Susanne in die Lodge. Zwei Tage versanken wir in der Stille, in allen Schattierungen von Grün, wir stapften in Gummistiefeln durch das Dickicht und begegneten nachts Skorpionen, goldenen Riesenfröschen und winzigen Fröschen von der Größe eines kleinen Fingernagels, perfekt geformt. Spinnen, die ein ganzes Sternenfirmament auf ihrem Rücken trugen. In den Baumwipfeln keckerten Affen und auf dem Weg zu einer Lagune, in der wir uns in schwimmenden Pflanzen verhedderten und beinahe steckengeblieben wären, wenn wir nicht alle mit der Machete mitgeholfen, um uns daraus zu befreien und mit den Händen in den grünen Teppich gegriffen und die Pflanzen zur Seite geschleudert hätten, die unter Wasser warm und modrig waren und vor Spinnen trieften; erst als sich die Nacht auf den Regenwald legte wie ein sternengesprenkeltes schwarzes Tuch, kamen wir in der Lodge an – also auf dem Weg zur Lagune trafen wir dieses herrlich entschleunigtes Faultier, das sich so wunderbar träge bewegte, dass es aussah, als falle es bei der nächsten Bewegung vom Baum und zu uns ins Boot. Als wir zurückfuhren nach Iquitos, da schauten aus dem Amazonas die Rücken der berühmten rosa Flussdelfine heraus.

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Es wLOGO-FOSPA-AGOSTO-2016-1ar ein erster Blick in dieses grüne Universum, das von so vielen Seiten bedroht wird (Abholzung, Monokulturen von Palmöl-Plantagen). Wir werden wiederkommen. Spätestens zum Panamazonischen Sozialforum (Foro Social Panamazónico) im April 2017.

Lang lebe die blaue Lagune

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Schon gute zwei Wochen sind wir zurück in Lima la gris. Der Blog-Beitrag zu unseren zwei Wochen in der Cordillera Blanca hat ein wenig auf sich warten lassen, aber so langsam sind wir wieder im Alltags-Groove und kommen dazu, euch einige Worte und Bilder über unsere Zeit in den Bergen zu schicken.

Mattes hat in den zwei Wochen eine Gruppe von Geografie-Studierenden aus Hamburg betreut, die zum Thema Alternativen zum Bergbau geforscht und die Gemeinden befragt haben, Eva hat Recherchen und Aktualisierungen für den Stefan Loose Reiseführer gemacht und die Kinder haben die Ferien genossen. Wir sind zwei Wochen zwischen Huaraz und Caraz gependelt, haben unseren Freund Adan und seine Frau Eva (wirklich) und ihr Baby Kain (wirklich!!) in der Comunidad Cruz del Mayo besucht, haben die über 6000 Meter hohen Berggipfel bestaunt und die Höhenluft genossen. Am Campo Santo, dem Friedhof von Yungay haben wir ehrfüchtig zum mächtigen Huascarán, dem höchsten Berg Perus (6768m) hinaufgeschaut. Am 31. Mai 1970 hatte ein Erdbeben eine gewaltige Lawine aus Eis, Schlamm und Geröll vom Berg gelöst und begrub an einem schönen Sonntagmorgen das gesamte Dorf Yungay mit einer 5 Meter hohen Schicht unter sich (siehe Titelbild). 20.000 Menschen starben innerhalb weniger Minuten. Das neue Yungay wurde in der Nähe des alten Dorfes, hinter einem schützenden Bergkamm, wieder aufgebaut.

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Was von Yungay übrig blieb: Campo Santo mit dem Huascarán im Hintergrund

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Der höchste Punkt und auch Höhepunkt der Reise war das Fest an der Laguna Parón am 29. Juli, der größten Lagune in der Cordillera. Die Lagune liegt auf 4186 Meter Höhe im Nationalpark Huascarán. Am selben Tag vor acht Jahren, am 29. Juli 2008, hatte die Comunidad Cruz del Mayo die Nutzung des Wassers der Lagune für sich reklamiert und die Wasseranlage des US-amerikanischen Unternehmens Duke Energy besetzt. Duke Energy ist Besitzer des Wasserkraftwerks im Cañón del Pato – einer schmalen Schlucht, in der sich die Cordillera Blanca und die Cordillera Negra bis auf wenige Meter nähern und durch die der Rio Santa fließt.  Die Nutzungsrechte der Laguna Parón waren 1996 unter der Regierung Alberto Fujimoris an das Unternehmen verkauft worden. Bald bekamen die Comuneros die negativen Auswirkungen der Nutzung der Lagune für das Wasserkraftwerk zu spüren: der Wasserpegel der Lagune sank drastisch, die Wassermengen für die Bewässerung der Felder und Äcker in der Gemeinde wurden unregelmäßig. Die Bauern beklagten Ernteausfälle, die Bewohner von Caraz tief unten im Tal die Qualität des Wassers.

2007 kündigte Duke Energy an, mehr Wasser aus der Lagune abzulassen, um mehr Strom zu generieren. Die Comuneros waren alarmiert und sahen ihre Felder, die mit dem Wasser der Lagune bewässert werden, in Gefahr. Duke Energy machte goldene Gewinne mit dem Wasserkraftwerk, Bergbauunternehmen heimsten Millionen mit dem Abbau von Kupfer, Silber und Zink ab, aber die Bauern profitierten davon wenig. 2007 lebten etwa 42 Prozent der Bevölkerung des Departamentos Ancash (in der sich die Cordillera Blanca befindet) in Armut, davon 17 Prozent in extremer Armut. Die Wassermassen, die Duke Energy ab 2007 aus der Lagune pumpte, ließ den Wasserstand der Laguna Parón schließlich auf die Hälfte sinken.

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Weil Gespräche mit dem Unternehmen und den Behörden immer wieder gescheitert waren, organisierten sich im Juli 2008 die Comuneros aus Cruz del Mayo und die Kommission der Nutzer des Unterlaufs Parón-Llullán, in Koordination mit der Provinzverwaltung Huaylas, als „Frente de Defensa de la Laguna Parón y el Medio Ambiente“ und nahmen die Sache selbst in die Hand. Sie besetzten die Wasserentnahmestelle und kündigten an, diese erst freizugeben, wenn die Forderungen der Comunidad ernsthaft Gehör fänden. Drei dicke Schlösser hängen heute am Tor der Anlage, durch die das Wasser ablief. Die Schlüssel liegen bei den Comuneros. Bis heute sind sie die Wächter der Lagune. (zum Weiterlesen ein Artikel en español von CEAS, Mitgliedsorganisation des Red Muqui; sie arbeitet mit den Comunidades in der Region).

Seitdem hat es viele Gespräche mit dem Unternehmen Duke Energy gegeben. 2011 initiierte die Zentralregierung Gespräche zwischen den Parteien, die aber scheiterten. Die Runden Tische wurden 2012 wieder aufgenommen, 2014 einigte man sich schließlich darauf, dass das Unternehmen das Wasser unter der Supervision einer dritten unabhängigen Partei für das Wasserkraftwerk nutzen dürfe. Das Unternehmen hat sich verpflichtet, das Wasser der Lagune künftig nur in Absprache mit der Gemeinde zu nutzen.

Die Comuneros feiern derweil ihr jährliches Fest an der Laguna Parón, einige Tausend sind gekommen, zwei Stunden holperige Serpentinenstraße von Caraz hinauf zu einer der schönsten Lagunen der Cordillera. 200 Combis parken entlang der schmalen Straße, Frauen mit bunten Röcken und großen Hüten haben riesige Töpfe hochgebracht, es gibt Choclo con Queso (Mais mit Käse), Cuy (Meerschweinchen), Papas (Kartoffeln), Mate de Coca (Coca Tee) und Inka Cola, die neongelbe und wahrscheinlich süßeste Limonade der Welt. Sogar ein Eisverkäufer läuft herum, aber es ist schon kalt genug auf über 4000 Metern mit eisigem Wind.

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Auf der Wiese vor dem Refugio, der Berghütte an der Laguna Parón, drängen sich die Menschen, festlich gekleidete Tänzer tanzen im Kreis an langen roten Bändern. Ein paar Männer rudern die Ñusta, die repräsentative Prinzessin dieser Feier fürs Wasser, auf den See hinaus und wieder zurück. Dann werden Reden geschwungen, ein Geistlicher hält eine Zeremonie, der Bürgermeister von Caraz ist da und sämtliche Präsidenten der umliegenden Gemeinden. Auch Mattes darf etwas sagen, er sagt kluge Sachen wie „Agua es Vida“ (Wasser ist Leben) und alle klatschen und fotografieren. Dann  gibt es Musik und Tanz bis in den Abend. Wir fahren schon früher zurück, die Kinder sind ziemlich platt von der Höhe und wollen lieber in Caraz aufs Trampolin auf dem kleinen Jahrmarkt, wo sie jeden Nachmittag gehüpft sind wie wilde Flummis. Wir verabschieden uns also von der blauen Lagune und fahren hinunter nach Caraz, 2000 Meter tiefer. Dort scheint die Sonne, wir essen wie jeden Tag ein Eis in dieser Stadt der Süßigkeiten (Caraz Dulzura ist der Spitzname des Ortes) und werfen noch einmal einen Blick hinauf zu den Bergen. Weit oben, hinter den grünen Hügeln und den grauen Zacken, sehen wir die weiße Spitze des Sechstausenders Huandoy leuchten. Ein Apu, ein beseelter Berg, der über die Lagune wacht. Dann gehen wir Trampolinspringen.

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Reggae im Regenwald

1Vor ziemlich genau einem Jahr haben wir einmal ein paar Tage im „Zillertal des Regenwaldes“ verbracht. Oxapampa ist eine deutsche Siedlung in der Selva Central, etwa 12 Stunden (einmal über die Anden) von Lima entfernt. Es war eine seltsame Mischung aus Palmen und Trachten, Bananenplantagen und Blasmusik, Holzhüttenromantik und zirpenden Zikaden.

Nun haben wir uns erneut auf den Weg nach Oxapampa gemacht, zum jährlich stattfindenden Festival Selvámonos. Es sei ein bißchen wie das Fusion-Festival, hatten uns Freunde vorab erzählt. Es gebe tolle Musik, Zirkus und Akrobatik, Theater und Workshops. Also Rucksack gepackt, Kinder eingepackt und mit drei Freundinnen ab nach Oxapampa. So war der Plan. Aber dann wurde Ronja in allerletzter Minute krank, Mattes blieb kurzerhand mit den Kindern in Lima, ich packte den Rucksack wieder aus und einen Tagesrucksack ein und fuhr alleine bzw. mit den drei Freundinnen. Das war sehr schade, bedeutete aber auch unverhoffte Freiheit. Danke noch einmal dafür, Mattes!

Wir hatten wie im letzten Jahr eine Cabaña in der D’Palma Lodge gebucht, die Kinder fanden damals das Trampolin und den Mini-Pool phänomenal gut, wir die Terrasse, das Grün und das enorme Frühstücksbuffet. Diesmal war allerdings kein Trampolin aufgebaut und das Frühstücksbuffet war zu einem kleinen Brot-Butter-Marmelade-Snack geschrumpft. Nochmal schade.

10Wunderschön war allerdings das Festival. Ein bunter Haufen aus Bühnen, Zelten, Wimpeln, eine überschaubare Menge von Menschen, vielleicht 2000. Ganz früher waren wir oft auf dem Hurricane (bei Bremen) gewesen, später auf der zauberhaften, aber immer größer werdenden Fusion an der Mecklenburgischen Seenplatte. Mit Ronja hatte ich zuletzt dem Theaterfestival at.tension einen Besuch abgestattet. Jetzt also das Selvámonos. Das bescherte uns eine feine Mischung aus Cumbia, Salsa, Ska und Reggae, ein bißchen Rock und ein bißchen Hiphop. Wir schwangen die Tanzbeine, hüpften in den Nachthimmel, aßen Yuca-Lasagne und tranken Bier aus überdimensionierten Festival-Bechern. Fantastisch.

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Tagsüber erkundeten wir bekannte und unbekannte Orte in der Umgebung: den Wasserfall El Tigre, den Fluss an der Casa Oxapampina, wo der sprechende Papagei wohnt, da trafen wir zwei Brüder, die mit ihren Motorrädern von Lima aus über die Anden gefahren waren, sie nahmen uns spontan mit auf ihren Rädern und zeigten uns, wo es leckeres Maisbier und gebratene Forelle gibt. Am letzten Tag wanderten wir in der Mittagshitze in den Nationalpark Yanachaga-Chemillén, aber weil der Weg weiter war als gedacht, kamen wir nur knapp bis zum Eingang des Parks, machten dort eine Pause im grünen Blätterwald und kehrten dann um. Unterwegs trafen wir eine Herde Kühe und einen einsamen Hund, der uns vor Freude ansprang, abschleckte und Stöckchen apportierte.

In rasanten neun Stunden (statt zwölf) brachte uns der Bus schließlich durch die Nacht zurück nach Lima. Kaum angekommen, musste ich mich mit Grippe ins Bett legen, gleich neben die Kinder. Mattes hatte jetzt also drei Kranke zu pflegen. Als wir wieder auf den Beinen waren, haute es Mattes um. Das war nicht fair. Aber jetzt sind wir alle wieder gesund. Gerade rechtzeitig, denn morgen abend fahren wir in die Cordillera Blanca, um eine Studentengruppe bei ihren Recherchen zum Thema Bergbau zu begleiten (Mattes), Reiseführer-Recherchen zu machen (Eva) und die Kita-Ferien zu genießen (Jakob und Ronja).

Ihr hört von uns. Bis dahin!

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