Bodenlos – Auswirkungen des Bergbaus auf Umwelt und Menschenrechte

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Die Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe (AGEH) hat eine sehr lesenswerte Reportage über den einwöchigen Workshop „Bodenlos – Auswirkungen des Bergbaus in Afrika, Lateinamerika und Deutschland auf Menschenrechte und Ökologie“ veröffentlicht. Mattes hatte im vergangenen September als Vertreter des Red Muqui an der Veranstaltung in Bonn teilgenommen.

Hier könnt ihr den Artikel als pdf-Dok herunterladen und lesen.

Unser Freund Fabi Singelnstein hat der AGEH außerdem ein Interview zum Thema gegeben, er arbeitet zum gleichen Thema (Bergbau und Landkonflikte) bei der Organisation CENSAT Agua Viva in Kolumbien, hier geht es zum Artikel.

Obama, Putin, Zuckerberg: Was war los beim APEC?

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Handshake zwischen Chinas Präsident Xi und dem peruanischen Gastgeber Kuczynski

Am vergangenen Wochenende wurde wieder einmal deutlich, in welchen Paralleluniversen wir uns im Alltag, in der Politik, in Lima bewegen. Am 19. und 20. November 2016 fand das 28. Gipfeltreffen der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsgemeinschaft (APEC) statt. Für den 17. und 18. November wurden Feiertage im Zentrum der Stadt verhängt, sämtliche Kindergärten, Schulen und Büros hatten geschlossen. Während also viele Limeños sich über das unverhofft lange Wochenende freuten und die Stadt verließen, saßen Präsidenten und Wirtschaftsbosse, aber auch Facebook-Gründer Marc Zuckerberg in Lima und sprachen über Handelsabkommen und wirtschaftliche Verflechtungen. Zwischendurch feierte man auch den Día de la Salchipapa, den nationalen Wurst-mit-Pommes-Tag, aber das tut hier eigentlich nichts zur Sache.

Während die Vertreter der 21 Länder des Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftsabkommen, nämlich Australien, Brunei, Kanada, Chile, China, Hongkong, Indonesien, Japan, Korea, Malaysia, Mexika, Neuseeland, Papua Neu Guinea, Peru, Philippinen, Russland, Singapur, Taipei, Thailand, die USA und Vietnam  in schickem Ambiente beisammen saßen und über Wirtschaftsinteressen sprachen und Zuckerberg seine Visionen einer vernetzten Welt via WLAN vorstellte, geschahen in Lima folgende Dinge:

Im Zentrum protestierten mehr als 120 indigene Führer (Apus) aus dem Regenwald im nördlichen Departamento Loreto, Vertreter von fast 50 Gemeinden in der Region, gegen die gewaltigen Umweltverschmutzungen in ihren Gebieten. Im letzten Jahr sind immer wieder Erdöl-Pipelines gebrochen und verseuchen Wälder und Flüsse. Seit Monaten protestieren fast fünfzig Gemeinden der Flusseinzugsgebiete der Flüsse Marañón, Tigre, Pastaza, Chambira und Corriente, sie fordern ein Ende der Erdöl-Aktivititäten und Entschädigung für die letzten 40 Jahre exzessiver Ölförderung.

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Proteste in Loreto

Auf den Straßen versammeln sich Menschen, Organisationen, Kollektive und protestieren gegen das geplante Freihandelsabkommen TTP.

Der Bürgermeister von Lima, Luis Castañeda, will eine weitere Straßenüberführung bauen, als Reaktion auf den ausufernden Autoverkehr. Dafür müssten die Bäume und die Fahrradstraße (eine der wenigen) an der Avenida Salaverry weichen. Die Fahrrad-Community in Lima ist entsetzt und organisiert Fahrraddemos.

Der 11-jährige Junge aus der Shipibo-Comunidad von Cantagallo, die vor einigen Wochen komplett abgebrannt ist, ist an den Folgen seiner schweren Verbrennungen gestorben. Castañeda schweigt. Die Comunidad wird wohl weiter auf dem Gelände bleiben – das vorgesehene Gelände für den Umzug war ohne das Wissen der Comunidad anderweitig verkauft worden.

Man wird das Gefühl nicht los, dass sich alles nur ums Geld dreht.

Und so kommt es, dass im wirtschaftlich aufstrebenden Peru der neue Präsident Kuczynski die Gelegenheit nutzt, um sein Land und dessen Ressourcen für Exporte anzubieten. Der chinesische Präsident Xi freute sich und bot gleich mehrere Milliarden Dollar an, um unter anderem in das seit Jahren stillgelegte Projekt Rio Blanco zu investieren. Die Minengesellschaft Rio Blanco Copper S.A. hatte sich aus dem Gebiet zurückgezogen, weil die Bevölkerung strikt gegen den Bergbau war. In einer Bürgerabstimmung im Jahr 2007 hatten 97 % der ländlichen Gemeinden Huancabamba und Ayabaca, die vom Kupferabbau betroffen wären, gegen das Projekt gestimmt. Bis heute befürchten sie, dass das Bergbauvorhaben auf geplanten 20.000 Hektar wichtige Wasserquellen gefährden und Wälder und Hochlandebenen dauerhaft zerstören wird.

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Bergbauregion Piura

Das Problem heute ist: Das peruanische Energie- und Bergbauministerium hat die Wiederaufnahme des Projekt autorisiert, ohne die lokalen indigenen Gemeinden vorher zu konsultieren – die sogenannte Consulta Previa, die fest im Gesetz verankert ist, aber nur selten angewandt wird. Das Projekt Rio Blanco wird daher vermutlich den nächsten großen Bergbaukonflikt im Land verursachen, mit Demonstrationen, Blockaden, vom Staat verhängten Ausnahmezuständen, Verletzen und Schlimmerem. Bereits jetzt ist verstärkt Militär und Polizei vor Ort, unter dem Vorwand, eine Militärbasis zur Grenzkontrolle zu errichten. Die Menschen vor Ort befürchten, dass die Militarisierung der Zone dazu diene, den erneuten Einzug des Unternehmens Río Blanco Copper S.A. zu ermöglichen. Sie befürchten Repressionen und Gewalt seitens des Staates, wenn sie ihr Land und ihre Rechte verteidigen werden.

Die ökomenische Organisation für Entwicklung und Frieden (Fedepaz), Mitgliedsorganisation des Red Muqui, befürchtet, dass das Unternehmen Rio Blanco Copper für sich gute Konditionen schaffen will, um wieder in die Region zurückkehren zu können. Es behaupte, ein modernes Unternehmen zu sein mit entsprechenden Technologien, die keine Verschmutzung verursachten; außerdem böten sie eine Vielzahl attraktiver Jobs im Bergbausektor.

Die Tageszeitung La República zum Thema Río Blanco

Der unstillbare Hunger nach Rohstoffen

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Während unserer Deutschland-Reise war Mattes mit anderen AGEH-Fachkräften und ihren Projektpartnern nach Bonn eingeladen worden, um an einer Workshopwoche zum Thema Rohstoffe teilzunehmen.  Denn Abbau und Verbrauch von Rohstoffen sind ein verbindendes Thema zwischen Menschen im Süden und im Norden. Deutschland ist einer der Hauptabnehmer von peruanischem Kupfer und hat sich 2014 den Zugang zu den für die Industrie wichtigen Metallen in einer Rohstoffpartnerschaft mit Peru gesichert. Jede fünfte Tonne Steinkohle, die deutsche Kraftwerke 2013 in Strom umgewandelt haben, kam aus Kolumbien.

Zu der Workshopreihe kamen Mitarbeiter*innen aus Kolumbien, Kongo, Südafrika und Sierra Leone. Aus Peru war Mattes‘ Red Muqui Kollege Edwin Alejandro dabei und Mirtha Vásquez, die Anwältin von Máxima Acuna (die vor kurzem einen Umweltpreis für ihren Widerstand gegen die Yanacocha Mine gewonnen hat, siehe unser Blog-Beitrag). Bodenlos – Auwirkungen des Bergbaus auf Umwelt und lokale Bevölkerung war der Titel der Veranstaltung, mit der die AGEH Entwicklungshelfer*innen, Projektpartner und Finanzgeber zusammenbrachte, um Erfahrungen zu teilen und internationale Vernetzungen zu knüpfen. Viele Projektpartner der AGEH setzen sich in ihren Ländern dafür ein, dass die Auswirkungen des immensen Rohstoffabbaus auf Umwelt und Bevölkerung von den Minenbetreibern sozial verträglich und nachhaltig gestaltet werden.  Die Regierungen in den Ländern des Südens wollen oder können die Rechte ihrer Bevölkerung oft nicht schützen. Immer wieder kommt es zu Menschenrechtsverletzungen, Vertreibungen und schlimmen Umweltschäden. Es war sehr spannend, aber auch erschreckend zu sehen, dass sich die Konfliktlage in den verschiedenen Ländern sehr ähnelt. Bei einem Besuch im Tagebau Garzweiler in der Nähe von Bonn konnten die Teilnehmenden sehen, wie die Auswirkungen der Kohleförderung in Deutschland sind und welche Strategien der Entschädigungen oder Umsiedlung es gibt.

Zum Thema Bergbaukonflikte gibt es hier einen interessanten Film aus Kolumbien, entstanden in einer Kooperation zwischen AGEH/Ziviler Friedensdienst, der Corporación Podion und dem Netzwerks für Demokratie und Frieden (Red Nacional en Democracia y Paz).

Wenige Tage später gab es in Berlin in der Heinrich-Böll-Stifung eine weitere öffentliche Veranstaltung zum Thema, die unter anderen das Kolumbien-Netzwerk kolko, die Kampagne „Bergwerk Peru – Reichtum geht, Armut bleibt“, Misereor und die AGEH mit ihren Partnerorganisationen organisiert hatte. Der unstillbare Hunger nach Rohstoffen war die Veranstaltung betitelt und so sprachen die Referent*innen (Bärbel Höhn, Vorsitzende des Bundestags-Umweltausschusses, die peruanische Anwältin Mirtha Vásquez von der NGO Grufides, der kolumbianische Anwalt Luis Guilbild_boelllermo Pérez Casas, Tatiana Rodríguez Maldonado von CENSAT Agua Viva und Leonardo González vom Instituto de Estudios para el Desarrollo y la Paz ) in der Podikumsdiskussion über bestehende Bergbaukonflikte in Peru und Kolumbien und über die Verantwortung, die die deutsche Regierung und Wirtschaft dabei einnehmen.

Zum Weiterlesen gehts hier zum Artikel der Infostelle Peru

Das Buch ist fertig!

Das auf Raubbau und Rohstoff-Export basierende Wirtschaftsmodell, das derzeit in vielen Ländern Lateinamerikas Konjunktur hat, hat die Armut in vielen Regionen ansteigen lassen. „Extraktivismus hat wirtschaftliche Krisen vorangetrieben und gleichzeitig Mentalitäten geschaffen, die nur auf Profit ausgerichtet sind“, urteilt Alberto Acosta, Ex-Minister für Energie und Bergbau in Ecuador und heute Vordenker der Weltanschauung des Buen Vivir – Recht auf ein Gutes Leben

Das Buch sucht  und zeigt Alternativen für ein sozialeres Modell, das mehr Wert legt auf Solidarität, Respekt gegenüber der Natur, auf nachhaltige Nutzung von Naturressourcen und nicht zuletzt auf die kollektiven Rechte von angestammten Gemeinschaften – ein Lebensmodell des Buen Vivir, allin kausay, suma kawsay, suma qamañ.

Zum Weiterlesen: ein Text (en español) vom Red Muqui zur Buchpräsentation auf der Buchmesse und unser Artikel zum Buch, veröffentlicht bei der Infostelle Peru.

Máxima Acuña gewinnt Goldman-Preis für Umweltschutz

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Die zierliche Bäuerin aus Cajamarca wird in diesen Tagen ihrem Namen – Máxima, die Größte – mehr als gerecht: Nach Jahren des Widerstands gegen das Bergbau-Unternehmen Yanacocha wurde ihr jetzt in San Francisco der renommierte Goldman-Preis für die Verteidigung der Umwelt verliehen. Der Goldman-Preis gilt als Nobelpreis für UmweltaktivistInnen.

Vor einem Jahr hatten wir hier schon einmal über Máxima Acuña und die Mega-Mine Yanacocha geschrieben: Wie David gegen Goliath.  Máxima Acuña und ihre Familie weigern sich seit Jahren, ihre vier Hektar Land an die Yanacocha-Mine zu verkaufen. Dieses Land aber braucht das Unternehmen für die Erweiterung der 260 Quadratkilometer großen Yanacocha-Mine  – größte Goldmine Lateinamerikas und viertgrößte weltweit. Máxima gab trotz jahrelangem Rechtstreit und Einschüchterungsversuchen seitens des Unternehmens nicht klein bei. Stattdessen ist sie in den letzten Jahren zum Symbol für den Widerstand gegen die skrupellosen Methoden bei der Goldförderung in Peru durch internationale Unternehmen, Armee und Nationalstaat geworden.

Die Auszeichnung erkennt nun auch offiziell und international ihren Einsatz für den Schutz der Umwelt – und ihrer eigenen Rechte – an. Die Drangsalierungen gegen Máxima und ihre Familie gehen allerdings weiter. Die in Cajamarca sitzende NGO Grufides schreibt, dass Unbekannte auf das Haus von Máxima geschossen hätten.

Man kann nur hoffen, dass sie nicht das gleiche Schicksal ereilt wie die Preisträgerin des Goldman-Umweltpreises von 2015: die honduranische Umweltschützerin und Indigenen-Aktivistin Berta Cáceres wurde vor einem Monat in ihrem Haus in La Esperanza (Honduras) von Unbekannten getötet. Cáceres hatte sich seit Jahren für die Rechte der Lenca-Indigenen eingesetzt und kämpfte gegen den Bau von Staudämmen und Bergwerken in deren Siedlungsgebieten.

Im einem Dorf namens Fortschritt

P1060370Eine andere Welt ist möglich, sagt Eduardo Gudynas, Vordenker des Postwachstum. Er hat ein Buch geschrieben „Die Rechte der Natur“, das liest sich wunderbar. Er rüttelt darin am derzeit verbreiteten Wachstums-Gedanken und fordert eine Abkehr vom Raubbau an der Natur. Lateinamerika brauche mehr regionale Wirtschaftskreisläufe und müsse seine Rolle als reiner Rohstoff-Exporteur ablegen. Nachhaltige Alternativen könnten gemeindebasiserter Tourismus, ökologische Landwirtschaft oder verarbeitende Gewerbe sein – je nach Region. Da in Peru jedoch seit der Kolonialisierung alle Strukturen auf dem Abbau und Export von Rohstoffen aufgebaut sind (siehe Eduardo Galeanos fantastisches Buch „Die offenen Adern Lateinamerikas“), ist das kein leichtes Unterfangen. Zwar wurde 2002 ein Ministerium für Produktion gegründet, das sich der Diversifizierung der Wirtschaftbereiche im Land verschrieben hat. Aber das Ministerium ist ähnlich machtlos wie das Umweltministerium, das nur Marionette ist des Bergbauministeriums. Entsprechend ratlos stehen also die Akteure da. Eine konkrete Antwort hat auch Gudynas nicht. Er ist Utopist, Visionär – er malt die Sonne an den Himmel, aber für alle anderen ist der Himmel weit entfernt.

Neulich haben wir Gudynas kennengelernt, als er mit uns in eine Comunidad mit dem so passenden wie unpassenden Namen „El Progreso“ (Fortschritt) gefahren ist, etwa zwei Stunden von Celendín entfernt. Er erzählte den Dorfbewohnern, warum Extraktivismus – massiver Raubbau an der Natur und der Export dieser Rohstoffe – problematisch ist. Den zweiten konkreten Teil, nämlich welche Alternativen es zu dieser Rohstoffausbeutung gibt, überließ er Mattes. Der schaute sich das Dorf mit den Bewohnern per Satellitenbild an und überlegte mit ihnen, wie sie die Zukunft des Dorfes sehen. Gudynas reiste zurück nach Cajamarca, er hatte noch wichtige Termine. Ein kurzer Auftritt eines großen Theoretikers. Wie das den Dorfbewohnern weiterhilft, ist fraglich. Immerhin sind sie bisher geschlossen davon überzeugt, dass der Bergbau in dieser Region nur Nachteile bringen würde.

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Meine Kollegin Hildegard Willer, ebenfalls freie Journalistin, hat Gudynas vor einem Jahr für die taz zum Thema interviewt. Gudynas sagt in diesem Gespräch, dass Peru bei Weitem die wenigste Offenheit für die Debatte um das „Gute Leben“ (Buen Vivir) habe.  Der öffentliche Diskurs im Land sei sehr einseitig von einer engen ökonomischen Sicht geprägt, die sich in den letzten Jahren noch verstärkt habe. Hinzu komme, dass die großen Medien in Peru sehr konservativ und autoritär seien. In Bolivien und Ecuador habe die Debatte viel mehr Kraft, dort werde der Entwicklungsbegriff auch als kultureller Begriff diskutiert.

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Das Dorf der Zukunft

Blog_P1050985Seit einigen Monaten ist Mattes regelmäßig auf dem Land unterwegs, um gemeinsam mit den Partnerorganisationen des Red Muqui Workshops mit der Landbevölkerung zu machen. Sie arbeiten zu Themen wie Nutzung von Naturressourcen, Umweltmonitoring, Alternativen zum Bergbau, Buen Vivir, Empowerment von ländlichen und indigenen Gemeinschaften u.v.m.

Mitte September fuhr Mattes mit seinem Kollegen Edwin und Elki von der NGO CooperAcción nach Huamachuco. Das Dorf liegt fünf Stunden von Trujillo entfernt in den nördlichen Anden (Region La Libertad). Die NGO Proyecto Amigo, ebenfalls Socio des Red Muqui, arbeitet hier mit der Bevölkerung zu Raumordnungsplanung (Ordenamiento Territorial, kurz OT). Blog_P1050893Auf dem Treffen stellten sie ihre Erfahrungen mit Raumplanung vor und informierten die Leute darüber, wie die Nutzung und Verteilung des Landes auf nationaler Ebene gehandhabt wird. Das Problem ist nämlich, dass es keine offizielle Raumordnungsplanung gibt. Anders als in Deutschland, wo das Raumordnungsgesetz genau festlegt, wie Regionen genutzt, entwickelt und gesichert werden sollen, ist das Land in Peru bis auf wenige Ausnahmen (Naturschutzgebiete, religiöse Stätten) fast nirgends registriert. Nur wenige Regionen haben Pläne, die bestimmte Gebiete für bestimmte Tätigkeiten ausweisen. Man macht sich das Land zu eigen, wie es gerade passt – seien es Privatpersonen oder Unternehmen. Darum gibt es in Peru so viele Konflikte um Land: wem gehört das Land im Regenwald, wo comunidades nativas leben ohne offizielle Landtitel und wo Konzerne nach Erdöl bohren? Wer darf das Land nutzen in den Bergen voller Kupfer und Gold, wo die Interessen von Dorfgemeinschaften denen großer Minengesellschaften gegenüberstehen?Blog_P1050917In Huamachuco gibt es einen Berg, der Cerro del Toro genannt wird. Im Berg hat man vor Jahren viel Gold gefunden. Kurz darauf kam der Bergbau in die Region, formell (offiziell registrierte Minengesellschaften) und informell (einfache Goldschürfer ohne Genehmigung). Heute durchwühlen Menschen und Maschinen den Berg und tragen Schicht um Schicht ab, um das kostbare Mineral herauszuholen. Das hat die üblichen Umweltbelastungen mit sich gebracht, Verschmutzungen von Luft und Wasser, Landvertreibungen usw.

Die Comunidad Paranshique liegt gegenüber dieses Berges voller Gold. Man kann die Detonationen hören, wenn das Gold aus dem Berg gesprengt wird, man sieht die Maschinen über den kahlen Berg rollen. Noch schaut das Dorf zu, aber der informelle Bergbau klopft mit seinen Versprechungen bereits an die Türen der Bewohner.

Proyecto Amigo und Red Muqui sind nach Paranshique gefahren und haben die Bewohner eingeladen, ihr Dorf zu kartieren. Sie begannen mit einer einfachen Grundrisskarte, kartierten Flora und Fauna, Naturressourcen und ergänzten ökonomische Details – wo gibt es Landwirtschaft, Märkte, Arbeit? Im letzten Schritt kartierten sie die Konflikte des Dorfes: in welchen Gebieten ist die Arbeitslosigkeit hoch, wo gibt es Migration, Vertreibung oder Umweltverschmutzung?

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Die zentrale Frage des Workshops war: Wie wollt ihr in Zukunft leben? Wie soll euer Dorf in 15 Jahren aussehen? In einer Art Zukunftswerkstatt überlegten die Bewohner, mit welchen konkreten Schritten und Aktivitäten sie ihr Dorf gemeinsam so gestalten können, dass es für sie ein lebenswerter Ort bleibt.

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Eine gemeinsam gestaltete Raumplanung von der Basis aus könnte ein Ansatz sein für Comunidades, in denen der Bergbau bereits um die Ecke lugt und der die Dörfer einzunehmen droht, wenn sie sich nicht zusammensetzen und überlegen, was für ein Leben sie in Zukunft führen wollen. Es ist wichtig, sich schon vorher nach Alternativen zum Bergbau umzuschauen als im Nachhinein zu realisieren, dass der Bergbau den Dörfern nur kurzfristigen Gewinn gebracht hat und danach verbrannte Erde hinterlässt.

Aufgrund der großen Nachfrage wird es im November einen weiteren Workshop in Huamachuco geben.

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Viel Land in den Händen von Wenigen

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Im Juni hat das Red Muqui mit der Universität San Marcos (Lima) und der Universität Gent (Belgien) eine internationale Konferenz organisiert zum Thema „Luchas Sociales por la Tierra“, soziale Konflikte um Land. Wissenschaftler wie Alberto Acosta und Vertreter sozialer Bewegungen debattierten zwei Tage lang über die Auswirkungen des Raubbaus und Ausverkauf des Landes in Peru und mögliche Alternativen, wie die Solidarische Ökonomie oder die Stärkung der (familiären) Landwirtschaft.

Hier geht es zum Artikel, den wir für die Infostelle Peru geschrieben haben.

Und hier zum Red Muqui-Artikel für Spanisch-Lesende.

Und hier ein Trailer zu einem Filmprojekt „Hija de la Laguna“ der Dokufilm-Gruppe Guarango. „El oro no se come“ – Gold kann man nicht essen. Sehenswert.

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„Ihr habt die Wahl zwischen Entwicklung und Armut“

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Valle del Tambo

Tante María soll weg. So wollen es die Leute. Regierung will aber nicht. Um das Bergbauprojekt Tía María bei Arequipa im Süden des Landes ist Ende März ein schon Jahre andauernder Konflikt wieder aufgebrochen. Der US-amerikanische Bergbaukonzerns Southern Copper Corporation will im Valle del Tambo, einem vor allem landwirtschaftlich genutzten Tal, im großen Stil Kupfer abbauen.

Der offene Tagebau im Einzugsgebiet des Flusses Tambo verspricht eine Produktion von 120.000 Tonnen Kupfer pro Jahr über eine Zeitspanne von 21 Jahren. Southern wirbt damit, 1500 Arbeitsplätze zu schaffen und 1,4 Milliarden US-Dollar zu investieren. Aber das Bergbauprojekt wird seit Jahren von Protesten der lokalen Bevölkerung begleitet. In einem Referendum sprachen sich bereits 2009 mehr als 90% der Bevölkerung gegen Tía María aus. Bauern und Umweltschutzorganisationen befürchten dramatische Folgen für die Umwelt. Wassermangel durch den exzessiven Wasserverbrauch für die Mine, Verschmutzung von Wasser und Luft, Verdrängung der Landwirtschaft…

Die Regierung könnte vermitteln. Auf der ersten Blick scheint es, als ob sie das täte. Sie hat sogenannte mesas de diálogo, Runde Tische, eingerichtet, an denen Politiker, Unternehmer und Zivilbevölkerung zusammenkommen. Aber die lokale Bevölkerung fühlt sich nicht ernst genommen. Die Regierung steht klar auf Seiten des Unternehmens Copper. Der neu ernannte Ministerpräsident Pedro Cateriano sagt: „Wir werden so oft nach Arequipa kommen wie nötig, um dieses Projekt voranzutreiben”. Und: „Die Menschen können heute entscheiden zwischen dem Weg der Entwicklung oder der Armut”. Staatspräsident Humala sieht in Tía María eine großartige Chance, um das Land wirtschaftlich voranzutreiben. Das Landwirtschaftsministerium schweigt. Umweltminister Manuel Pulgar-Vidal verteidigt das Projekt Tía María und weist die herbe Kritik an der Umweltstudie (EIA – Estudio de Impacto Ambiental) entschieden zurück.

FOTO-PROTESTA-CONTRA-PROYECTO-TIA-MARIA-3Eine Lösung für den Konflikt ist bisher nicht in Sicht. Seit bald einem Monat protestieren Tausende von Bewohnern der Region, Bauern und Umweltverbände mit einem Generalstreik gegen die geplante Mine, mit Protestmärschen und Straßenblockaden. Immer wieder kommt es zu Auseinandersetzungen zwischen Protestierenden und der Polizei. Der Minenbetreiber, Oscar Gonzales Rocha, spricht von „Anti-Bergbau-Terrorismus“. Tausende Sicherheitskräfte sind im Einsatz.

Fragwürdiges Vorgehen der Polizei

Fragwürdiges Vorgehen der Polizei

Angesichts des mehr als fragwürdigen Vorgehens der Polizei (in diesem Video sieht man, wie ein Polizist einem Protestierenden mit Gewalt eine Waffe in die Hand drückt und das Bild am nächsten Tag auf den Titelseiten mindestens einer Zeitung (El Correo) steht, untertitelt mit „así atacaron los anti-mineros/so haben die Bergbaugegner angegriffen“) wird die Wut der Menschen immer größer und die Stimmung von Tag zu Tag angespannter: Wortführer der Opposition werden festgenommen, es gibt Gewalt und Dutzende Verletzte. Vor wenigen Tagen gab es das erste Todesopfer, ein 61-jähriger Bauer starb nach Auseinandersetzungen mit der Polizei.

Nach derzeitigem Stand sieht es so aus, dass Southern das Minenprojekt bis zum Jahr 2017 aussetzen wird. Die Bewohner der Region wollen aber nur noch eines: dass das Unternehmen sich komplett zurückzieht.

Tía María ist letzten Endes vor allem ein politischer Konflikt. Auf welcher Seite stno_tia_mariaeht die peruanische Regierung – verteidigt sie die Souveränität ihrer Bürger oder die Interessen ausländischer Unternehmen? Werden die Stimmen der Bewohner des Tals ernst genommen oder als Terroristen diffamiert? Entscheidet sich die Regierung für die Demokratie und den Dialog oder nimmt sie den Weg des Autoritarismus und der politischen Verfolgung? Jetzt wäre der Moment, Partei zu ergreifen.

Artikel von uns zum Konflikt um Tía María, erschienen im April bei der Infostelle Peru.

Comundo-Landestreffen in Chaclacayo

Einmal im Jahr treffen sich alle cooperantes von Comundo mit ihren Projektpartnern, um über aktuelle und gemeinsame Themen zu sprechen, zu diskutieren und eine línea de base zu entwickeln, eine Art Grundhaltung zu bestimmten Themen. Dieses Treffen fand Mitte März in Chaclacayo statt, etwa 1,5 Stunden nördlich von Lima. Ein Wiedersehen mit Wuéster, Ulrika und Kori aus Huancayo, mit Pascal, Renate und ihren beiden Kindern und mit Beat aus Cusco. Und ein Kennenlernen der anderen Projektpartner. Fünf intensive Tage Seminar mit Input, Diskussionen und neu entstandenen Arbeitsgruppen. Für die Kinder (Jakob, Ronja, Ida, Rafael und Kori) fünf Tage spielen und toben mit Ana, die für die Kinderbetreuung dabei war.

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Eines der Hauptthemen beim diesjährigen Treffen war die Frage, von welcher Entwicklung wir eigentlich sprechen im Rahmen der Entwicklungs-zusammenarbeit, die wir machen. Es ging um Alternativen zum herkömmlichen Entwicklungsbegriff, um Alternativen zum Extraktivismus (exzessiver Abbau von Naturressourcen) wie er in Peru derzeit betrieben wird, um andere Weltanschauungen wie das andine Buen Vivir.

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Mattes hat mit Javier, dem Direktor des Red Muqui, einen Vortrag gehalten über Alternativen zum Extraktivismus und am Ende des Seminars hat sich eine Arbeitsgruppe zum Thema Buen Vivir gebildet, die bis zum nächsten Treffen im Oktober zu diesem Thema arbeiten wird.

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Hier ein sehr anschauliches Mini-Video der Böll-Stiftung/1-2-3-comics: Was ist Neoxtraktivismus?

 

 

Und am letzten Tag: große Tafel, Luftballons, Konfetti, Torte und Musik! Jakob feiert seinen 4. Geburtstag 🙂

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