Máxima Acuña gewinnt Goldman-Preis für Umweltschutz

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Die zierliche Bäuerin aus Cajamarca wird in diesen Tagen ihrem Namen – Máxima, die Größte – mehr als gerecht: Nach Jahren des Widerstands gegen das Bergbau-Unternehmen Yanacocha wurde ihr jetzt in San Francisco der renommierte Goldman-Preis für die Verteidigung der Umwelt verliehen. Der Goldman-Preis gilt als Nobelpreis für UmweltaktivistInnen.

Vor einem Jahr hatten wir hier schon einmal über Máxima Acuña und die Mega-Mine Yanacocha geschrieben: Wie David gegen Goliath.  Máxima Acuña und ihre Familie weigern sich seit Jahren, ihre vier Hektar Land an die Yanacocha-Mine zu verkaufen. Dieses Land aber braucht das Unternehmen für die Erweiterung der 260 Quadratkilometer großen Yanacocha-Mine  – größte Goldmine Lateinamerikas und viertgrößte weltweit. Máxima gab trotz jahrelangem Rechtstreit und Einschüchterungsversuchen seitens des Unternehmens nicht klein bei. Stattdessen ist sie in den letzten Jahren zum Symbol für den Widerstand gegen die skrupellosen Methoden bei der Goldförderung in Peru durch internationale Unternehmen, Armee und Nationalstaat geworden.

Die Auszeichnung erkennt nun auch offiziell und international ihren Einsatz für den Schutz der Umwelt – und ihrer eigenen Rechte – an. Die Drangsalierungen gegen Máxima und ihre Familie gehen allerdings weiter. Die in Cajamarca sitzende NGO Grufides schreibt, dass Unbekannte auf das Haus von Máxima geschossen hätten.

Man kann nur hoffen, dass sie nicht das gleiche Schicksal ereilt wie die Preisträgerin des Goldman-Umweltpreises von 2015: die honduranische Umweltschützerin und Indigenen-Aktivistin Berta Cáceres wurde vor einem Monat in ihrem Haus in La Esperanza (Honduras) von Unbekannten getötet. Cáceres hatte sich seit Jahren für die Rechte der Lenca-Indigenen eingesetzt und kämpfte gegen den Bau von Staudämmen und Bergwerken in deren Siedlungsgebieten.

Kennst du das Land, wo die Orangen blühten?

klP1070740Fast zwei Jahre lang – so lang sind wir bald hier – haben wir davon gesprochen, einmal nach Huaral zu fahren. Dort wohnt die Familie von Carlos, einem guten Freund von uns. Seit einigen Monaten wohnt Carlos‘ Cousine Milena bei uns, auch sie hat lange Zeit in Huaral gewohnt. Höchste Zeit also, unseren Freunden und ihren Familien dort einen Besuch abzustatten.

Huaral liegt knapp 80 Kilometer nördlich von Lima an der Küste. Die Stadt ist von weiten Feldern und Plantagen umgeben, hier werden Kartoffeln, Mais und Baumwolle angebaut, Äpfel, Mangos, Mandarinen, Avocado und Guayaba. Auf dem Feld der Familie knabbern wir an Zuckerrohrstengeln, schnuppern am Hierba Luisa und lutschen das weiße Fruchtfleisch der Pacay.

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Früher gab es in Huaral gewaltige Landgüter. Eines davon ist die Hacienda Graña de Huando, sie gehörte der Familie Graña Elizalde. Auf 1450 Hektar Land pflanzten sie fast ausschließlich Orangen. Als Naranjas Huando wurden die kernlosen Früchte zum Exportschlager (auch wenn die Orangenart eigentlich Washington Navel hieß). Die Orangen gingen in die USA, nach Kanada und Europa.

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Die linke Militärregierung unter Juan Velasco Alvarado erließ 1969 ein Agrarreformgesetz, infolgedessen die Haziendas enteignet und an bäuerliche Genossenschaften übertragen wurden. Diese nannten sich an der Küste Cooperativas Agrarias de Producción (CAP), Landwirtschaftliche Produktionsgenossenschaften, im Andenhochland Sociedades Agrícolas de Interés Social (SAIS), Landwirtschaftliche Gesellschaften von sozialem Interesse. Die Landreform beendete weitgehend das jahrhundertealte System der Schuldknechtschaft (peonaje), einem sklavereiähnlichen Abhängigkeitsverhältnis von Bauern gegenüber Großgrundbesitzern. Allerdings besteht die Konzentration von viel Land in den Händen von Wenigen bis heute fort. Die Infostelle Peru hat dazu vor einiger Zeit einen sehr informativen Artikel geschrieben.

Nach der Landreform wurde also die ehemalige Hacienda auf knapp 500 Genossenschaftler der Cooperativa Agraria de Producción Huando übertragen. Die Genossenschaft löste sich 1992 auf, die Ländereien wurden in Parzellen aufgeteilt. Als eine Plage namens „Virus de la Tristeza“ (Virus der Traurigkeit) die Huando-Orangen befiel, wurde ihre Produktion allmählich eingestellt. Heute pflanzen die Bauern eine Vielzahl anderer Früchte an: Mandarinen, Erdbeeren, Spargel, Avocado.

Die frühere Hacienda Graña de Huando wird heute von ehemaligen Arbeitern verwaltet. An den alten Kolonialgebäuden nagt der Zahn der Zeit. Ein paar Bäuerinnen verkaufen Honig, Mandarinen und Fruchtlikör. Es gibt ein Restaurant und ein kleines Museum mit alten Keramikfunden und einer noch älteren Mumie namens Rosita. Dort, wo heute Tagesgäste eine Runde auf Pferden drehen, ging Carlos früher in den Kindergarten.

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Später essen wir Cuy (gebratenes Meerschweinchen), von Carlos‘  Mutter zubereitet, zählen die Mückenstiche, die wir vom Feld mitgebracht haben und schmettern bei Vollmond in einer Karaokebar schmalzige Lieder. Es war sehr schön. Wir kommen sicher wieder.

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Wilde Wasser und weite Wüsten

 

 

 

 

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Furchtbare Familienpolitik

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Opfer der Zwangssterilisierungen aus den 1990er Jahren fordern Anerkennung und Entschädigung

Heute, am 10. April, sind die Präsidentschaftswahlen in Peru. Eine der aussichtsreichsten, aber auch umstrittensten Kandidatinnen ist Keiko Fujimori. Sie ist die Tochter des ehemaligen Präsidenten Alberto Fujimori, in dessen Amtszeit bis zu 300.000 peruanische, indigene Frauen und etwa 20.000 Männer zwangssterilisiert wurden. Bis heute sind die Verbrechen nicht aufgearbeitet.

Die Zwangssterilisierungen fanden in den Jahren 1995 bis 1998 statt.  Eingebettet waren diese in das Programm: Reproduktion – Gesundheit und Familienplanung zur Bekämpfung der Armut! Der Internationale Währungsfond, die Weltbank und die offizielle US-AID finanzierten diesen Genozid, offiziell im Rahmen eines Programms zur freiwilligen Sterilisierung. Betroffen waren insbesondere Frauen zwischen 20 und 30 Jahre, die bereits zwei bis vier Kinder hatten. Später wurde deutlich, dass das Sterilisierungsprogramm vor allem in Regionen von bewaffneten Konflikten mit dem Leuchtenden Pfad stattfanden sowie in Regionen, wo große Unternehmen die Ausbeutung von Erdöl-Erdgas und wertvollen Hölzern vorantreiben wollten.

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Aushang des Ministeriums für Justiz & Menschenrechte zur Registrierung der Opfer von Zwangssterilisationen, Quelle: Minjus.gob.pe

Die vor zwei Jahren verstorbene peruanische Rechtsanwältin Giulia Tamayo hatte die Dokumentation dieser Verbrechen gegen die Menschlichkeit maßgeblich vorangetrieben . Tamayo, die vom peruanischen Geheimdienst Morddrohungen erhielt und schließlich nach Spanien ins Exil ging, veröffentlichte 1998 ihren Bericht „Nada personal“ (Nichts Persönliches), in dem sie die massiven Sterilisierungen in Peru enthüllte und anprangerte. Die Eingriffe fanden in staatlichen Gesundheitszentren oder Krankenhäusern statt, unter Zwang oder durch betrügerische Beratungen, so bei Schwangerschaftsuntersuchungen oder durch falsche Diagnosen wie Gebärmutterkrebs. Pro Sterilisierung gab es eine Belohnung zwischen vier und zehn US Dollar für das Gesundheitspersonal. Um die Kosten niedrig zu halten, wurden Narkosemittel aus der Tiermedizin eingesetzt, die in den USA bereits ausgesondert waren. Oftmals übernahmen Krankenschwestern oder Studierende der Medizin die Eingriffe.

Der Verband von Zwangssterilisierungen betroffen Frauen (Asociación de Mujeres Afectadas por las Esterilzaciones Forzadas – CAMET ) strebt als Vertretung von 2.074 Opfern seit Jahren eine Klage gegen Ex-Präsident Fujimori und seine damaligen Gesundheitsminister an. Sie werfen ihm Genozid vor. Der zuständige Staatsanwalt Marco Guzman Baca hat dies wegen „fehlender Beweise“ auch 2015 wieder abgelehnt. Die UN-Kommission gegen Frauendiskriminierung (UN Commitee on the Elimination of Discrimiation against Women (CEDAW) hat die vorgelegten Beweise von Zwangssterilisierten hingegen anerkannt. Sie bezeichnete die Eingriffe als „schwere Verletzung der reproduktiven Rechte von Frauen“ und verurteilte sie als „Methode der medizinischen Kontrolle der Fruchtbarkeit der Frau ohne ihre Zustimmung sowie als Körperverletzung, Folter und Misshandlungen“.

Im November 2015, möglicherweise forciert von Kampagnen wie der von Amnesty International, erließ Präsident Humala endlich ein Dekret zur Registrierung der betroffenen Frauen. Diese Registrierung ist allerdings nur ein erster Schritt, damit die betroffenen Frauen entschädigt und die Schuldigen bestraft werden.

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Hilaria Supa Huamán

Keiko Fujimori nun, die Tochter des damaligen Präsidenten, betreibt die Familienpolitik von damals weiter.  Zwar erklärte sie im Oktober 2015 auf einer Konferenz in der US-Elite-Universität Harvard:„Ich verurteile die Ärzte und fühle mit all jenen Frauen, die einer Zwangssterilisierung unterzogen wurden.“ Zurück in Peru aber sprach sie von lediglich 30 betroffenen Frauen – ein Hohn für Tausende von Frauen, schimpfte die indigene Kongressabgeordnete und Menschenrechtsaktivistin Hilaria Supa Huamán. „Das, was sie den Frauen angetan haben lässt sich nicht wieder gut machen“, sagt Huamán. „Aber wir wollen nicht, dass diese Verbrechen unbestraft bleiben, wir wollen, dass die Frauen vom Staat angemessen gesundheitlich versorgt werden. Doch was wird aus unserem Kampf, wenn Keiko Präsidentin werden sollte? Die Fujimoristen sind stark. Es sind dieselben, die damals gesagt haben: wir bekämpfen die Armut, wir bringen Entwicklung. Für diese Frauen haben sie das Gegenteil gebracht.“

Heute also sind die Wahlen. Noch am Dienstag (5. April) haben 50.000 Menschen gegen eine mögliche Regierung Keiko Fujimoris protestiert. Dennoch führt Fujimori die Wahlumfragen an. Man darf gespannt sein, wie das Ergebnis aussehen wird.

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Titelseite der Tageszeitung La Republica vom 6. April 2016

 

In diesem Interview der Informationsstelle Lateinamerika erklären Raquel Reyonoso und Jesenia Casani von der peruanischen Kampagne „Wir sind 2074 und viele mehr“, was jetzt geschehen muss.

Hier ein Beitrag vom Deutschlandfunk zum Thema, außerdem von der Infostelle Peru, „Zwangssterilisierungen an peruanischen Frauen müssen aufgearbeitet werden“

Más informaciones sobre la campaña „Contra su voluntad“ de Amnestia Internacional 

Allin Mikuy Ayllu – Gemeinschaft des gutes Essens

canasta5Wir sprechen (leider) kein Quechua. Aber drei Quechua-Worte benutzen wir sehr oft: Allin Mikuy Ayllu. Das bedeutet „Gemeinschaft des gutes Essens“. So nennt sich eine lose Gruppe von Freunden und Gleichgesinnten, die im September 2012 in Lima eine Biokiste ins Leben riefen.

Manche kennen das Konzept der Biokiste, manchmal auch Öko- oder grüne Kiste genannt: ein System des Direktvertriebs von regionalen und saisonalen Lebensmitteln aus der ökologischen Landwirtschaft. Menschen (meist) aus der Stadt bekommen ihre Kisten mit Obst und Gemüse, Milchprodukten, Getreide, manchmal auch Fleisch direkt vor die Haustür geliefert. Manche holen diese Lebensmittel auch an bestimmten Orten ab, selbstorganisiert oder in entsprechenden Läden. In Deutschland gibt es über 100 solcher Biokisten-Gruppen, dazu Dutzende von Food-Coops, einer Art Lebensmittelgenossenschaft. In Bremen, wo wir lange Zeit gewohnt haben, gibt es seit über 30 Jahren einen verwunschenen Laden namens Maiskolben, in dem Bio- und Demeterprodukte angeboten werden, wo man Ladendienste übernehmen und die Bauern im Umland besuchen kann, die die Lebensmittel produzieren.

Allen Initiativen gemein ist, dass sie die ökologische Landwirtschaft fördern wollen, auf Pestizide und Gentechnik verzichten und eine Form solidarischer Landwirtschaft unterstützen, die die lokalen Beziehungen zwischen Verbrauchern und Erzeugern stärkt. Es geht um gesunde Ernährung, aber eben auch: um mehr Gemeinschaft.

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Zurück also zur Gruppe um Allin Mikuy Ayllu. Die Freunde Luna und Pepelucho hatten im Herbst 2012 beeinander gesessen und Ideen gesponnen, inspiriert von Canastas Comunitarias („Gemeinschafts-Körben“) in Riobamba (Ecuador), Bogotá (Kolumbien) und Europa. Nach einigen Monaten der Vorbereitung fand im Februar 2013 die erste Canasta statt. 24 Familien und 11 Produzenten waren dabei, unterstützt von einem halben Dutzend Freiwilliger.

Heute sind es etwa 30 Familien, die sich einmal im Monat treffen, meist in den Räumen der Organisation PDTG (siehe Netzwerk) oder des Colegio José Antonio Encinas, einer alternativen Schule in Magdalena del Mar. Bei den Treffen geht es nicht nur um die Verteilung der Biokisten, sondern auch um den Austausch von Erfahrungen, Wissen und um ein bewusstes Erleben von Gemeinschaft. Manchmal bereitet jemand eine kleine Zeremonie für die Pachamama, die Mutter Erde, vor. Dann gehen Koka-Blätter herum, Tabakrauch wird auf rituelle Weise auf die Pflanzen gepustet, brennende Palo Santo Stäbe verbreiten einen süßlich-harzigen Geruch, der sofort an die Hochebenen der Anden denken lässt. Am Jahresende gab es einmal eine sehr berührende Runde mit guten Wünschen und Ausblicken, was bleibt, was kommt.

Auf ihrem Blog schreiben die Canasterxs, dass sie „ein Medium sein wollen für Bildung rund um Themen wie Gesundheit und Ernährung und Türen öffnen wollen zu einer Lebensform, die auf Solidarität und Harmonie mit der Natur beruht“. In diesem Sinne: Allin risuchun, que te vaya bien, möge es dir gut ergehen, liebe Canasta.

Hier gehts zum Blog der Canasta Allin Mikuy Ayllu und hier zur (aktuelleren) Facebook-Seite.

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