In Lima finden ständig Festivals statt: Festival del Cine, Festival Internacional de Danza Nueva, Feria Internacional de Libros, Festival Jazz. Zur Zeit läuft das Festival de la Música Afroperuana. Den gesamten Juni gibt es immer donnerstags Konzerte in der Bar La Noche in Barranco, Samstags gratis Kurse zum Mitmachen zu Percusión Afroperuana, Zapateo (eine Art Steptanz) Afroperuano und Danzas Afroperuanos. Ein kleines Schatzkästchen voller Musik, Tanz und Bewegung.
Die Wiege der afroperuanischen Kultur liegt an der Pazifikküste. Über die Karibik und Brasilien landeten damals knapp 100.000 afrikanische Sklaven im damaligen spanischen Vizekönigkreich, verschleppt in Schiffen, die „Ataúd“ (Sarg) genannt wurden. Die Kolonialherren brauchten sie als Arbeitskräfte, weil die Zahl der indigenen Bevölkerung durch eingeschleppte Krankheiten, Misshandlungen und härteste Arbeitsbedingungen drastisch gesunken war. Hunderttausende starben in den Minen des Hochlandes und auf den Plantagen an der Küste. Den Sklaven aus Westafrika erging es nicht anders. Viele hunderte Jahre später, im Jahr 2009, entschuldigte sich Perus damaliger Präsident Alan García offiziell bei der schwarzen Bevölkerung Perus und sagte, dass die Sklaverei „die schrecklichste Ungerechtigkeit in der Geschichte der Menschheit“ sei. Er bat um Verzeihung für die seit Abschaffung der Sklaverei im Jahre 1856 erlittene Ausgrenzung innerhalb der Bevölkerung Perus.
Heute sind die Afroperuaner*innen zwar gleichberechtige Staatsbürger, aufgrund ihrer Hautfarbe aber immer noch mehr oder weniger offenem Rassismus ausgesetzt. Die meisten von ihnen leben in ärmlichen Verhältnissen, der Zugang zu höherer Bildung bleibt ihnen verwehrt. Nur wenige schaffen es durch harte Arbeit, Glück und/oder musikalisches Talent, den Teufelskreis der Armut zu durchbrechen. Einige Initiativen wie „Perú sín discriminación“ (Peru ohne Diskriminierung) oder „Alerta contra el Racismo“ (in etwa: keine Chance für Rassismus) setzen sich gezielt für die Rechte der Betroffenen ein, es gibt Anti-Diskriminierungsgesetze, aber bis heute ist Peru ein Land mit einem stark ausgeprägten Klassensystem, in dem viele weiße Menschen viel besitzen und leiten (Unternehmen, Immobilien, Geld) und schwarze Menschen ausführen und bedienen (als Busfahrer, Haushälterinnen, Arbeiter).
Aber zurück zur Musik. Damals hatten die Sklaven ihre Musik und ihre Trommeln mitgebracht nach Peru, ein wichtiges Element in der Gemeinschaft der Afroperuaner*innen. Als die Sklavenbesitzer ihnen die Trommeln wegnahmen, weil sie als Kommunikationsmittel mit den afrikanischen Göttern schief beäugt wurden, mussten Transportkisten für Fische oder Orangen als Ersatz herhalten, Vorläufer der heutigen Cajones (Holzkisten). Der Cajón ist heute das zentrale Instrument in der afroperuanischen Musik, auf dem sitzend mit den Händen getrommelt wird. Manchmal werden auch Cencerros, eine Art Kuhglocke als Instrument verwendet, Gitarren, Löffel, ein Schrapidiophon (ein Flaschenkürbis mit Rillen, über den man mit einem Stock reibt) oder auch der Kieferknochen eines Esels (siehe Bild ganz oben),
Afroperuanische Musik begann im Verborgenen, vor allem in den Palenques, informellen Gemeinschaften, die von geflüchteten Schwarzen gegründet wurden. Lange wurde die afroperuanische Musik mit kreolischer Musik (música criolla) gleichgesetzt, die europäische Walzer- und Polkaelemente des 19. Jahrhunderts mit neueren Stilformen wie Tango, Bossanova und Jazz verband. Erst in den 1950er Jahren gelang es den afroperuanischen Musiker*innen, eine eigenständige Musikszene zu gestalten. Die Geschwister Victoria und Nicomedes Santa Cruz haben mit ihrem politischen Kampf für die Anerkennung der afroperuanischen Musik wesentlich dazu beigetragen, dass die „Cultura Negra“ in dieser Zeit wieder aufblühen konnte. Die heute bekannteste Vertreterin afroperuanischer Musik ist die Sängerin Susana Baca, die 2002 den Grammy Latino gewann und 2011 unter der Regierung Humalas zur Kulturministerin des Landes ernannt wurde. Manche kennen sie vielleicht aus dem Musikvideo „Latinoamérica“ der puerto-ricanischen Band Calle 13, einem sagenhaft schönen Lied / Video. Hier könnt ihr es anschauen, für wenig-Spanisch-Sprechende extra mit Untertiteln 🙂
Und hier noch ein Video von einer der bekanntesten und ältesten (gegründet 1969) afroperuanischen Gruppen, Perú Negro