Wie wollen wir leben?

Es gab eine Zeit, da führten wir ein Kleinfamilienleben wie viele andere Menschen. Vater, Mutter, zwei Kinder, in einer kleinen Stadtwohnung. Einer studierte, eine arbeitete, wir organisierten unser Leben mit allabendlichen Absprachen, wer wann was macht, die Kinder abholt, den Babysitter anruft, wir machten täglich To-Do-Listen, wir kochten vor, wir gingen spätabends einkaufen, wenn wir eigentlich schon müde waren, oft waren wir erschöpft.

Manche Freunde von uns zogen in Wohnprojekte hinaus aufs Land, in Gemeinschaftshäuser, in große WGs. Bei manchen Projekten hatten wir Bilder von ständigen Plenums-Treffen vor Augen, Gemeinschaftskassen-Diskussionen und Konsens-Zwang. Erfahrungen aus eigenen WG-Zeiten. Wir blieben in unserer kleinen Wohnung und machten es uns dort gemütlich.

P1030457 IMG_2912

 

 

 

Gemeinsames Mittagessen in der Cordillera Blanca und geselliges Taxifahren in Lima

Dann zogen wir nach Lima. Hier leben die meisten Menschen in großen Familienbünden zusammen in oft kleinen Wohnungen. Wer es sich leisten kann, auch in größeren Wohnungen. Großeltern und Eltern und Tanten und diverse Cousins und Cousinen.  Alleine zu wohnen kam uns auf einmal seltsam vor. Wir öffneten die Türen. Zuerst kamen Geschwistern und Eltern aus Deutschland, dann Freunde aus Peru, manchmal nur ein Wochenende, manchmal mehrere Wochen.

Momentan wohnen wir in unserer Wohnung mit 3 Erwachsenen und 4 Kindern. Täglich kommen Nachbarn oder Freunde vorbei, oft sitzen wir zu zehnt am Tisch.  Wir machen immer noch To-Do-Listen, wir kaufen immer noch oft spätabends ein, und die Jonglage aus Jobs, Kindern, Haushalt und Freizeit ist immer noch herausfordernd. Aber jetzt haben wir Menschen ums uns herum. Einer spielt immer mit den Kindern, singt, denkt sich Theaterstücke aus von Piraten und Feuerwehrleuten und Gärtnern. Einer kocht immer. Einer hat immer was zu erzählen. Es ist wunderbar. Und ein Gedanke setzt sich zu uns an den Tisch, der sagt: so könnte es sein. Dass sich Menschen gegenseitig mehr unterstützen. Dass Menschen zusammen wohnen. Als Großfamilie, mit Freunden, als bunter Patchworkhaufen. Viva la sociabilidad 🙂

P1070021Runde Tafel im Wendland

Was bleibt. Was kommt.

winter_klHola compañeros, wir sind wieder da. Mittlerweile hat ein neues Jahr begonnen. Willkommen 2016. Danke 2015 für die vielen schönen Momente. Wir haben uns sehr lebendig gefühlt mit Dir, liebes vergangenes Jahr, in jeglicher Hinsicht. Mittendrin waren wir, mit gespitzten Ohren und aufgerissenen Augen, hier und dort, oben in den Bergen und im Regenwald und oft am Ozean, einmal verloren wir uns im Weltall und kamen wieder zurück und sind immer noch da, andere nicht mehr.

Ich stelle mir das Jahr nicht gerne als Linie vor, das wie bei einer Schreibmaschine mit einem „Pling“ endet und dann in die nächste Zeile, ins nächste Jahr wechselt. Ich mag den Gedanken, dass die Jahre kugelrund sind. Mit Jahreszeiten, die kommen und gehen. Mit Ereignissen, die sich wiederholen, mit Ritualen. Sicherlich auch mit neuen Begegnungen und Erfahrungen. Aber es ist nicht alles immer ein Neuanfang.

So sind auch diese ersten Januartage kein – Pling! – Sprung in die nächste Zeile. Wir waren 4 Wochen in Deutschland, haben Familie besucht und Freunde, uns vom Schnee überraschen lassen und dann mit Vorfreude gen Westen geschaut, Richtung Peru. Wieder in Lima zu sein war wie Nach-Hause-Kommen. Ein kurzes Stutzen am Flughafen – riech mal die Luft! so anders…Schau mal, die vielen Leute auf der Straße! Seltsam, oder? – dann waren wir wieder drin in unserer großen Stadt. Gingen die gleichen Wege. Grüßten die gleichen Nachbarn. Tanzten Salsa auf der Plaza wie jeden Mittwochabend. Der Sommer hat gerade begonnen. Weißt du noch, im letzten Jahr? Es ist alles noch da.