Huamanga, Stadt mit Vergangenheit

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Normalerweise bin ich vor Reisen recht gut informiert über den Ort, an den ich fahre. Vor allem, wenn es eine Recherchereise für einen Reiseführer ist. Als ich also vor einiger Zeit eine Tour durch die Berge machte, von Huancayo über Tarma, Huancavelica nach Ayacucho, war ich auf vieles vorbereitet. Aber Ayacucho hat mich völlig überrascht.

Die Begegnung mit Huancayo war nett. Huancavelica war schroff und schön zugleich. In Ayacucho habe ich mich verliebt. Und viel dazugelernt. Gleich das erste, was mich überraschte, war der Name selbst. Huamanga hörte ich immerzu, Huamanga. Die Bewohner nennen ihre Stadt seit Jahrhunderten so, mit Ayacucho bezeichnen sie den Namen der gesamten Provinz. Aber dennoch hat sich Ayacucho international als Stadtname durchgesetzt.

Ich mag den Namen Huamanga. Er geht runter wie Butter. Ich blieb länger in der Stadt als nötig, saß auf der Plaza, machte mir Notizen, wanderte durch die Straßen. Ich war ganz beseelt.

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Huancavelica

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img_9018huanca5Es begann schon in Huancavelica, wo ich mit dem Tren Macho angekommen war. Eine schöne kleine Stadt. Schroffe Felsen, warme Quellen, knorrige Menschen, die unbekümmert ihrer Arbeit nachgehen. Ich erfragte und erwanderte mir sämtliche Infos für den Reiseführer und verlor mich eine Stunde in einer kleinen eindrücklichen Ausstellung über die Zeit des Terrorismus in den 1980er und 1990er Jahren.

Früh am nächsten Morgen fuhr ich mit meinem Reisebegleiter (einem knapp 30-jährigen Afro-Limeno mit derbem Lima-Slang, der neun Jahre in der Ukraine gelebt und studiert hatte und mir von seiner ersten Liebe Natalja erzählte und dass er jetzt für ein Start-Up-Unternehmen Fertig-Schulen in die entferntesten Gegenden des Landes bringe), also am nächsten Morgen früh um fünf fahren wir ins Altiplano hoch, wo kein Baum mehr steht, aber Hunderte von Lamas weiden, die Lagune Choclococha schillert im Sonnenlicht, im Auto wickeln Dani (mein Reisebegleiter), ein Vater mit Sohn und zwei Frauen uns in nach Schaf riechende Wolldecken, während im Radio abwechselnd Modern Talking und peruanische Folklore läuft. Eine denkwürdige Reise.

20161101_06211720161101_063429unterwegs

 

 

 

 

 

In Rumachaca, einer Kreuzung irgendwo im scheinbaren Nirgendwo, steigen wir aus, wir müssen uns ein weiteres Sammeltaxi besorgen für die Weiterfahrt nach Ayacucho. Das geht schneller als erwartet. Mit einem Fahrer, der auf der kurvigen Strecke so müde wird, dass ich um mein Leben fürchte und wir ihn dazu anhalten, sich kurz zu erfrischen, kommen wir um neun Uhr am Parque Sucre an. Nächste Erkenntnis: es ist nicht die Plaza de Armas, wie viele meinen. Die Bewohner sagen ausschließlich Parque Sucre. Der Platz ist noch leer, die Stadt wacht gerade erst auf. Vom Himmel scheint eine kräftige Sonne.

Was dann folgt, ist augenöffnend. Leute, vergesst Cusco. Ayacucho ist mindestens genauso schön. Eine Stadt voller alter Gebäude, Kirchen, Cafés und Kunsthandwerker. In der Ebene außerhalb der Stadt wurde die Unabhängigkeit von Spanien besiegelt. Die Profile der Menschen sind scharf geschnitten, ihr Stolz ungebrochen. In den Tagen, in denen ich dort bin, ziehen immer wieder Kapellen durch die Straßen, Heiligenfiguren werden aus den Kirchen geholt, Frauen und Männer in bunten Kleidern reiten über die Plaza, Holz tragende Esel hinterdrein.

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Ayacucho ist (immer noch) eine der ärmsten Provinzen des Landes und hat furchtbare Jahre der Gewalt und des Terrors ertragen müssen. Hier begann der Sendero Luminoso seine vermeintliche Revolution. Hier wurden Abertausende Menschen aus ländlichen Gebieten rekrutiert, hier starben Zehntausende auf grausamste Weise im fast 20 Jahre andauernden Bürgerkrieg, wurden verschleppt und gefoltert. Immer noch forschen Menschen in Massengräbern nach ihren Angehörigen. Die Wunden sind noch lange nicht verheilt. Das Museo de la Memoria (Museum der Erinnerung), initiiert von der Organisation der Opfer und Hinterbliebenen ANFASEP (Asociación Nacional de Familiares de Secuestrados, Detenidos y Desaparecidos del Perú) und von deutschen Organisationen (Deutsche Botschaft, DED, GTZ u.a.) unterstützt, ist ein Zeichen dafür.

Das Schwarz-Weiß-Foto der Familie oben hat der Fotograf Baldomero Alejos in den 1940er Jahren aufgenommen. Er kam aus Huancavelica und machte Mitte des letzten Jahrhunderts Zehntausende Bilder in Ayacucho. Seine Enkel wollen seine Bilder, die bisher in Archiven schlummerten, jetzt der Öffentlichkeit zugänglich machen.

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