Vor geraumer Zeit waren wir mit Freunden, die aus Bogotá/Kolumbien zu Besuch waren, im „Lugar de la Memoria, la Tolerancia y la Inclusión social“, kurz LUM genannt. Die imposante Gedenkstätte erinnert von außen ein bißchen an das Jüdische Museum in Berlin – ein wuchtiges Gebäude, eng zulaufende Spitzen, viel Beton, man verliert sich beim Hineingehen, steigt viele Stufen hinab in die Tiefen der jüngeren peruanischen Geschichte. Im LUM wird an die Zehntausende Todesopfer der Gewalt erinnert, die dem schmutzigen Krieg von Armee und Polizei auf der einen und der maoistischen Guerillagruppe Leuchender Pfad (Sendero Luminoso) sowie der revolutionären Bewegung Túpac Amaru (MRTA) auf der anderen Seite in den Jahren 1980 bis 2000 zum Opfer fielen.
69.280 Menschen kostete der Konflikt das Leben, zumeist indigener Abstammung, so ist es in den mehr als 6.000 Seiten umfassenden Bericht der peruanischen Wahrheitskommission festgehalten. Fast die Hälfte der Opfer stammen aus der Region von Ayacucho, 570 Kilometer von Lima entfernt.

Angélica Mendoza gründete mit anderen Müttern, deren Söhne verschwanden, 1984 die Opfervereinigung ANFASEP
Der frühere Präsident Alan García hatte zunächst große Bedenken zur Ausstellung gehabt. Er befürchtete, dass das Museum die Armee in ein allzu negatives Licht stellen würde. Seine Sorge erwies sich als unbegründet. Es ist eine armee-freundliche Ausstellung geworden. Juana Carrión, Vize-Präsidentin der Opfervereinigung ANFASEP, sagt diplomatisch: “Die Ausstellung an sich ist in Ordnung. Aber sie erzählt nichts über die Verbrechen des Militär”.
Stattdessen werden gleich im Eingangsbereich des Museums die Ursachen der Gewalt scheinbar eindeutig umrissen: die Gründungen der verschiedener Guerilla-Organisationen wie Tupac Amaru oder Sendero Luminoso. Kein Wort zu den sozialen und politischen Umständen, die deren Entstehung zu Grunde lagen. Die einfache Formel der Erklärung lautet im LUM: Gewalt = Terror = subversive Organisationen. Es wäre interessant gewesen, nachzuforschen, warum in den 1960 und 1970er Jahren so viele Revolutionsbewegungen Aufschwung bekamen, welchen Einfluss die Ideen der Roten Khmer in Kambodscha auf die Ideen Abimael Guzmáns, des Anführer der Senderisten hatte, was (Kritik am) Imperialismus und Kapitalismus mit der Geschichte zu tun hat und die Universitäten und…
Auch wenn es an einer wirklich kritischen Auseinandersetzung mit den Jahres der Gewalt und des Terrors fehlt, zeigt die Ausstellung in großen Bildern und mit vielen O-Tönen, welche Auswirkungen der Bürgerkrieg auf die Menschen, vor allem im Hochland gehabt hat. Wie Menschen verschwanden, gefoltert, vergewaltigt wurden, wie ganze Familien ausgelöscht wurden, wie viele Zehntausende Menschen ihre Dörfer im Hochland verlassen mussten und nach Lima gezogen sind, in die staubigen Hügel der Millionenstadt. Die meisten sind dort geblieben.
Der peruanische Schriftsteller und Literatur-Nobelpreisträger Mario Vargas Llosa sagte, er wünsche sich, dass die Ausstellung ein Ort der Reflexion, der Debatte und der friedlichen Kontroverse sei. Sehr kontrovers gehalten ist die Gedenkstätte nicht, aber ein Denkanstoß allemal. Gegen das Vergessen. Der Eintritt ist kostenlos.
Hier gehts zur offiziellen Webseite des Museums
Zum Weiterlesen: EIn Artikel der Deutschen Welle Der lange Schatten des Bürgerkriegs
Der Bericht der Wahrheitskommission ist seit 2013 auch auf Deutsch erhältlich, in diesem Artikel der Infostelle Peru gibt es weitere Infos